Es tut sich was. Letzte Woche verkündeten Bund und Kantone, dass sie für die Bewältigung der Covid-Pandemie erneut eng mit der Wissenschaft zusammenarbeiten wollen. Ein 14-köpfiges Gremium, präsidiert von ETH-Professorin Tanja Stadler, berät die Politik fortan in Covid19-Fragen.
Dem voraus gingen gleich mehrere Berichte, die im Nachgang zur akuten Covid-Krise verfasst wurden. Sie alle kommen zum Schluss, dass das Zusammenspiel zwischen Politik und Wissenschaft in der Schweiz generell besser werden muss. Die Bundeskanzlei schreibt gar von «dringlichstem Handlungsbedarf».
Den Graben schliessen
Wenn man bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nachfragt, hört man ähnliches. «Der Austausch funktioniert in vielen Bereichen nicht gut», sagt etwa Klimaphysiker Reto Knutti von der ETH Zürich. Der Graben zwischen wissenschaftlichem Faktenangebot und politischer Nutzungsbereitschaft sei immer noch gross. Knutti engagiert sich seit 15 Jahren in der Öffentlichkeit, um das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen. Er berät zudem einzelne Politiker und war viele Jahre Mitglied des Weltklimarats (IPCC).
Wie kann der Graben zumindest kleiner werden? Um für akute Krisen und Notfälle besser gerüstet zu sein, schlägt Tanja Stadler ein permanentes kleines Netzwerk vor, das als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Politik fungiert. Um sich konstruktiv auszutauschen, sei Vertrauen zentral. Und das entstehe nur, wenn man sich kennt. Auf Basis dieses Netzwerks könne dann im Fall einer akuten Energiekrise, einer neuen Pandemie oder einer Cyber-Attacke rasch eine Taskforce aufgebaut werden.
Stadler und die anderen Taskforce-Mitglieder hätten davon profitiert, wenn sie auf die Gremiums-Arbeit besser vorbereitet gewesen wären. Die Ideenschmiede Reatch bietet inzwischen just das an. In Boot Camps lernen Forschende das politische System kennen sowie das Rollenverständnis, das mit wissenschaftlicher Politikberatung einhergeht. Reatch wirbt generell dafür, dass sich mehr Wissenschaftler in den politischen Prozess einbringen.
«Unsere Vision ist, dass die politische Kommunikation Teil des Lehrplans an Schweizer Universitäten wird», sagt Luca Schaufelberger, Physiker und Vorstandsmitglied von Reatch. Und entsprechend anerkannt werde, wie Lehren und Forschen.
Die Fakten auf dem Tisch
Und auf Seite der Politik? «Sie muss akzeptieren, dass es Fakten gibt, die man nicht einfach vom Tisch wischen oder verneinen kann», sagt Reto Knutti, der seit 25 Jahren das Klima modelliert. Und Tanja Stadler: «Die Politik muss wissen, was die Wissenschaft leisten kann und was nicht.» Wissenschaft ist eben kein Orakel, Wissenschaft irrt, sie revidiert sich ständig. Aber deswegen ist sie nicht nutzlos.
Ich bin sehr getrieben von Fakten und rationalen Argumenten. Ich wäre unglücklich in der Politik.
«Hilfreich wäre natürlich auch, wenn mehr Wissenschaftler in die Politik gehen würden», weiss Reto Knutti. Um dann gleich nachzulegen, dass das für ihn keine Option sei. «Ich bin sehr getrieben von Fakten und rationalen Argumenten. Ich wäre unglücklich in der Politik.»
Wirklich einfach wird die Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik wohl nie werden – an Bedeutung wird sie dennoch zunehmen.