Vom Hof- und Wachhund zum Familienmitglied und besten Freund: Der Stellenwert von Hunden hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Dies habe viel mit der gesellschaftlichen Veränderung zu tun, erklärt Silke Wechsung, Psychologin der Uni Bonn.
Silke Wechsung ist selbst Hundehalterin: Nessi begleitet sie bei der Arbeit. Der Riesenschnauzer braucht viel Bewegung und geistige Beschäftigung. Wechsung wusste, worauf sie sich einliess, als sie sich Nessi anschaffte.
«Viele Menschen tun das leider nicht», erklärt die Psychologin, «sie verlieben sich in das Äussere einer Hunderasse, haben jedoch leider keine Ahnung von den Hunden, von ihren Bedürfnissen und ihrem Verhalten.»
Oft fehlt Verständnis für das Tier
Manches, was für den Menschen gut sei, müsse dem Hund nicht unbedingt auch gut tun, erklärt die Psychologin. «Wenn Hunde verhätschelt werden, passiert das ganz oft aus Unwissenheit», sagt sie, «diese Hundehalter wissen gar nicht, dass der Hund das nicht mag – nur, weil er sich nicht wehrt.»
Als Psychologin und Hundehalterin hat sich Wechsung oft gefragt, warum Menschen und Hunde so gut zusammenpassen und welche Voraussetzungen ein Halter mitbringen muss. Und umgekehrt: Was führt dazu, dass eine Beziehung zum Hund nicht gut ist?
Umfragen und Beobachtung von Haltern
Antworten bekam sie, indem sie im Rahmen einer umfangreichen Studie über 6000 Hundehalter befragte. Zusätzlich führte die Psychologin Verhaltensbeobachtungen durch. So konnte sie nicht nur die Beziehungszufriedenheit von Haltern wissenschaftlich unter die Lupe nehmen, sondern auch die Frage beantworten, ob die Bedürfnisse des Hundes befriedigt wurden.
Wechsung achtete beispielsweise darauf, wie gut der Hund auf Kommandos seines Halters hörte und wie er sich gegenüber dem Herrchen oder Frauchen verhielt. Dies sage sehr viel darüber aus, so erklärt sie, wie artgerecht ein Hund gehalten wird.
Aus allen Antworten und Erkenntnissen erstellte die Wissenschaftlerin anschliessend ein Psychogramm der Hundehalter und konnte ein klares Raster erkennen, in das sich alle Hundehalter einteilen lassen:
- Typ 1: Der prestigeorientierte Hundehalter
Dieser Typ will mit dem Hund unter anderem sein Selbstbewusstsein stärken und sein Ansehen bei anderen Menschen verbessern. Wie es seinem Hund dabei geht, interessiert ihn nicht besonders. Mit den arteigenen Bedürfnissen seines Hundes beschäftigt er sich zu wenig.
«Wer seinen Hund zu sehr vermenschlicht und nicht auf dessen Bedürfnisse eingeht», warnt Wechsung, «hält das Tier nicht artgerecht und kann keine gute partnerschaftliche Beziehung zu ihm aufbauen.»
- Typ 2: Der auf den Hund fixierte Halter
Das Tier ist sein ein und alles. Die volle Aufmerksamkeit gilt dem Wohlbefinden des Hundes, allerdings ohne den Hund zu vermenschlichen. Darum ist bei diesem Typ die Qualität der Mensch-Hund-Beziehung hoch. Auch wenn sich der Halter eher zu Tieren als zu Menschen hingezogen fühlt, verhält er sich in der Öffentlichkeit rücksichtsvoll. Er möchte mit seinem Hund niemanden belästigen oder gefährden.
- Typ 3: Der naturverbundene und soziale Hundehalter
Dieser Hundehalter beschäftigt sich aktiv mit dem Tier, ist kontaktfreudig und freut sich, über den Hund neue Menschen kennenzulernen. Zwischenmenschliche Beziehungen sind ihm wichtiger als der Hund. Er verfügt über ein hohes Fachwissen zur Haltung und achtet auf eine gute Erziehung eines Hundes. Die Qualität seiner Mensch-Hund-Beziehung ist dementsprechend hoch.
Unter dem Strich eine gemischte Bilanz
Insgesamt gibt die Psychologin vielen Hundebesitzern gute Noten. 43 Prozent gehören laut der Studie zum Typ 3, dem naturverbundenen und sozialen Hundehalter. Doch etwa ein Viertel aller untersuchten Mensch-Hund-Beziehungen sei mangelhaft, weil die Halter ausschliesslich eigennützige Motive verfolgen: 22 Prozent könne man dem Typ 1 zuteilen, die den Hund zu sehr vermenschlichen, so Wechsung.
35 Prozent gehören schliesslich zum Typ 2, der eine engere Beziehung zu seinem Hund hat als zu anderen Menschen.
«Ich persönlich finde einfach wichtig, dass man ein natürliches Verhältnis zum Hund behält», lautet das Fazit von Silke Wechsung, «dass der Hund Hund sein kann und dass er keine anderen partnerschaftlichen Beziehungen ersetzen soll. Der Hund ist ein super Partner, aber er ist kein besserer Mensch.»