Colm Tóibín ist ein Meister der genauen Beobachtung: er konzentriert sich dabei nicht auf die vordergründigen Dramen im Leben, sondern fokussiert auf die subtilen Momente im Alltag, lauscht den stillen, verborgenen Emotionen. Kein Wunder setzt sein Roman erst Wochen nach dem Tod des Dorfschullehrers Maurice ein: Wie geht man in einer Familie mit Trauer um? Wann kippt Anteilnahme der Umgebung in soziale Kontrolle? Und wer bestimmt eigentlich, was sich für eine vierfache Mutter in dieser Situation gehört?
Auf ihre ganz eigene, widerborstige Art trotzt Nora Webster den Erwartungen an eine trauernde Witwe, gönnt sich auch mal einen ausgelassenen Abend mit einer Freundin und tritt sogar der Gewerkschaft bei. Es sind keine grossen Zeichen der Rebellion, sondern Versuche, in einem konservativen Milieu sich selber treu zu bleiben.
Im Gespräch mit Luzia Stettler erzählt Colm Tóibín, dass er hier der Generation seiner
Mutter ein literarisches Denkmal gesetzt hat: auch er hat früh seinen Vater verloren und miterlebt, wie schwierig es für seine Familie wurde, ohne Mann im Haus finanziell über die Runden zu kommen.
Buchhinweis:
Colm Tóibín. Nora Webster. Aus dem Englischen von Giovanni Bandini, Ditte Bandini. Hanser, 2016.
«Nora Webster» von Colm Tóibín
Colm Tóibín gehört zu den wichtigsten literarischen Stimmen Irlands. Nach seinem Welterfolg «Brooklyn» legt er jetzt mit «Nora Webster» nach: der Roman ist das eindringliche Porträt einer jungen Witwe, die in der katholischen Provinz der sechziger Jahre mutig und eigenwillig ihren eigenen Weg geht.
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