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Euphorie auf dem Tahrirplatz in Kairo, 2011.
Keystone
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«Arabischer Frühling» – was bleibt?

Ein Gemüsehändler im Süden Tunesiens zündete sich selbst an. Die Verzweiflungstat Mitte Dezember 2010 wurde zum Fanal für eine nie dagewesene Protestwelle in der arabischen Welt.Doch die Eliten schlugen zurück und die Region versank in Repression und Krieg. Wo ist die Aufbruchshoffnung hin? 

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Ahmed war 19, als die Protestwelle von Tunesien kommend die ägyptische Stadt Alexandria erreichte. Damals hoffte der Salafist noch vage, dass die Rückbesinnung auf einem Islam wie zu Zeiten des Propheten das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt aus seiner tiefen Krise führen würde. Doch dann wurde auch er von er revolutionären Begeisterung mitgerissen. Hunderttausende forderten auf dem Tahrirplatz in Kairo und im ganzen Land den Sturz des Regimes. Als die Armee unter dem Druck der Strasse den Langzeitautokraten Hosni Mubarak am 11. Februar 2011 tatsächlich fallen liess, war das «der allergrösste Tag» in seinem Leben, sagt Ahmed im Rückblick. Heute träumt er von einem Ort, wo er sich frei äussern könnte, ohne von den Schergen des Regimes bedroht zu werden.

Heba Morayef erlebte die damalige Euphorie in Kairo, aber auch die brutale Gewalt, die folgte. Die Repression in Ägypten sei heute schlimmer als sie es unter Mubarak je war, sagt die Verantwortliche der Menschenrechtsorganisation Amnesty International für die Arabische Welt. Die Muslimbrüder, die damals nach dem Aufstand die ersten Wahlen gewannen, wurden zu Tausenden getötet oder weggesperrt. Nach den Islamisten traf es die säkularen Kräfte des Aufstands: Wer immer heute Regimekritik übt, riskiert Schikane oder Gefängnis. Die Regierung rechtfertigt die Repression mit terroristischen Bedrohungen und besonderen ägyptischen Werten, die im Westen nicht verstanden würden.

Auch Hassan war vor zehn Jahren als Aktivist dabei, er oszilliert heute zwischen Resignation und dem Glauben, dass sich trotz allem etwas fundamental verändert hat: Das Verhältnis der Jugend zu den Autoritäten sei seit jenen Tagen des Volksaufstandes ein anderes: Lehrer, Imame, Politiker – sie könnten nicht mehr selbstverständlich auf Respekt zählen.

In der ganzen Region klammern sich zwar korrupte Eliten mit ihren Sicherheitsapparaten an ihre Privilegien. Doch trotz der Kriege und Verwerfungen des letzten Jahrzehnts, auch der Politologe und Publizist Rami Khouri in Beirut bleibt überzeugt: Der Wille des Menschen, in Freiheit und Würde zu leben, sei die stärkste Kraft - wie ein Pflänzchen, das durch Beton hindurchwächst. Mit dem «Arabischen Frühling» sei diese Kraft in der Region entfesselt worden.

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