64 Seiten lang ist das Schutzkonzept für Theater-, Konzert- und Veranstaltungsbetriebe. Damit könnten Theateraufführungen und Sinfoniekonzerte bald wieder stattfinden.
«Zunächst gilt es Musikerinnen, Künstler und alle Mitarbeitenden zu schützen. Und dann tragen wir eine hohe Verantwortung für den Schutz unseres Publikums», sagt Toni Krein, der dem Schweizerischen Orchesterverband vorsteht. Dieser hat gemeinsam mit zwei weiteren Berufsverbänden das Konzept erstellt.
Bereits heute gibt es Hygieneempfehlungen für die Bühnenarbeit: etwa ein Abstand von zwei Metern zwischen zwei Personen, das regelmässige Desinfizieren von Oberflächen oder häufiges Lüften von Innenräumen.
Unklar war aber bislang, welche Rolle die Aerosole spielen. Die kleinen Feuchtigkeitstropfen in der Atemluft können beim Musizieren, Singen und Sprechen austreten – und mitunter infektiös sein.
Verifizierbare Messergebnisse, wie viele Aerosole auf der Bühne austreten, gab es für die Schweiz bisher nicht. Man wusste bloss, so Toni Krein, «dass man mit einer Trompete keine Kerze ausblasen kann.»
Deshalb wurden beim Schweizer Arbeitshygieniker Thomas Eiche umfangreiche Messungen in Auftrag gegeben. Er hat sämtliche Blasinstrumente im Orchester sowie Schauspieler und Opernsängerinnen beim Ausüben ihres Berufs vermessen.
Nur Schreien und Zetern geht nicht
Die Aerosolbelastung in der Luft lag laut Toni Krein nur in zwei Fällen über dem Grenzwert: «Beim lauten Schreien und wütenden, lauten Sprechen. Ansonsten liegen alle Messwerte im sehr tiefen Bereich von rund einem Nanoliter pro Kubikmeter.»
Das heisst: «Im Schauspiel, beim Gesang sowie bei den Blasinstrumenten reichen die jetzt geltende Abstandsregeln des Bundesamts für Gesundheit.»
Liebesszene unter fünf Minuten
Einen Kompromiss sieht das Schutzkonzept im Schauspiel und beim Tanz vor: Hier geht man davon aus, dass aus künstlerischen Gründen die Abstandsregel auf der Bühne nicht permanent eingehalten werden kann. Daher wird empfohlen, nahen Körperkontakt – etwa in einer Liebeszene – auf fünf Minuten zu begrenzen.
Muss in einer Produktion mehrfach von der Abstandsregel abgewichen werden, so wird die Bildung von kleinen Teams empfohlen, die stets zusammenarbeiten und strenger kontrolliert werden: mit Contact-Tracing-Apps und täglichem Temperaturmessen.
Nicht alle Plätze besetzt
Und das Publikum? «Wir möchten, dass unsere Zuschauerinnen und Zuhörer wieder in unsere Säle kommen, sich dabei sicher fühlen und keine Angst haben müssen, sich anzustecken», sagt Toni Krein.
Deshalb werden – wie in anderen Branchen – separate Ein- und Ausgänge empfohlen, Abstandsmarkierungen bei Ticketschaltern, und freie Plätze im Zuschauerraum.
Da Personen aus dem gleichen Haushalt auch im Theater nebeneinander sitzen dürfen, hofft man auf eine maximale Auslastung von etwa 70 Prozent.
Hoffnung auf Entscheid des Bundesrats
Nun müssen Veranstaltungsbetriebe dieses Schutzkonzept auf ihre eigenen räumlichen Gegebenheiten anpassen. Die Kontrolle über die Einhaltung obliegt den Kantonen.
Vorerst fiebert die Kulturszene dem Entscheid des Bundesrats am 27. Mai entgegen und hofft auf eine deutliche Lockerung des Versammlungsverbots.
Denn das beste Schutzkonzept nützt langfristig den Kulturinstitutionen nur dann etwas, wenn sie auch Einnahmen mit ihren Veranstaltungen erzielen können. Wenn zu wenig Publikum zugelassen wird, stehen Ausgaben und Ertrag in keinem Verhältnis.