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Bühne Südkoreanische Grossmütter tanzen sich frei

Jahrzehntelang erfüllten sie von der Gesellschaft auferlegte Pflichten – jetzt übernehmen sie die Hauptrolle: Im Stück «Dancing Grandmothers» tanzen sich südkoreanische Grossmütter die Seele aus dem Leib, bald auch in der Schweiz.

«Mein ganzes Leben habe ich mit Haushalt und Kindererziehung verbracht. Ich habe immer gedacht, die Bühne sei nur etwas für Stars und Profis. Ich war so überrascht, als Eun-Me Ahn mich für dieses Projekt anfragte», sagt die 71-jährige Südkoreanerin Hee Ryang Yoon.

Ihre Kollegin Jeong Aie Lee ergänzt: «Ich war überrascht und überwältigt. Damit wurde ein Traum wahr. Bisher konnte ich nie mein Leben leben, war immer jemand von jemandem: Frau und Mutter. Jetzt geht es zum ersten Mal um mich. Jetzt tanzt Aie. Ich bin so glücklich.»

Ausbruch aus dem Alltag

Der Auftritt

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Die «Dancing Grandmothers» treten zwischen dem 8. und 17. April im Rahmen des Tanzfestivals Steps in Zürich, Pully, Basel und Genf auf.

Die beiden Frauen gehören zu den zehn «Dancing Grandmothers», die die Tänzerin und Choreographin Eun-Me Ahn und ihre Company derzeit auf Europatournee begleiten. Im Rahmen des Festivals Steps machen sie auch in der Schweiz Halt. Ihr Stück ist eine Hommage an das Leben, an das Lebendigsein. Ein Ausdruck wahrer Lebensfreude. Ein Aufbruch und Ausbruch aus dem Alltag und einer von der Gesellschaft auferlegten Frauenrolle in der südkoreanischen Provinz. 90 Minuten ohne Pause, auf die man sich einlassen muss, denn vieles ist Improvisation – oder mutet zumindest als solche an.

Um zu erkunden, wie Seniorinnen tanzen und was das Tanzen mit ihnen macht, reiste Eun-Me Ahn 2010 mit Mitgliedern ihres eigenen Ensembles durch ihre Heimat Südkorea. Im Gepäck: drei Kameras. Überall forderten sie Grossmütter auf, sich zur Musik zu bewegen. In einem Monat konnten die Choreografin und ihr Team rund 250 tanzende Seniorinnen filmen.

Zwei Südkoreanerinnen grinsen in die Kamera, mit den Fingern machen sie das Peace-Zeichen.
Legende: Die «Dancing Grandmothers» führen vor, wie Tanz in einem rauschenden Fest kulminiert. SRF

Nach den Grossmüttern kam die Jugend

Basierend auf ihren Erlebnissen und Erfahrungen kreierte Eun-Me Ahn das Stück «Dancing Grandmohters», das 2011 in Südkorea uraufgeführt wurde. Eun-Me Ahnt eröffnet den Abend mit einem Solo. Mit auf der Bühne: die betagten Bäuerinnen aus dem Film.

Auf der aktuellen Tournee sind nun aber Grossmütter aus Eun-Me Ahns Bekanntenkreis dabei. Zu lange her seien der Kontakt zu den «Original»-Grossmüttern und die Aufnahmen, erklärt Eun-Me Ahn.

Nach «Dancing Grandmothers» nahm sich Eun-Me Ahn der Jugend und den mittelalterlichen Männern an. Mit «Teen Teen» und «Middle-Aged Men» schuf sie eine Trilogie – «das beste Stück meines bisherigen Schaffens», sagt Eun-Me Ahn. Die 52-Jährige Südkoreanerin strotzt vor Energie. Immer wieder schallt ihr Lachen durchs Theater. Mit ihr zu sprechen und sie im Umgang mit den «Grandmothers» zu erleben, ist äusserst beeindruckend.

Eng befreundet mit Pina Bausch

Eun-Me Ahn, die viele Jahre in New York lebte und arbeitete, gilt als südkoreanische Antwort auf die deutsche Tanztheaterikone Pina Bausch. Die beiden Choreografinnen waren denn auch eng miteinander befreundet. Wiederholt lud Pina Bausch Eun-Me Ahn mit ihren Produktionen nach Deutschland ein. «Dancing Grandmothers» konnte Bausch allerdings nicht mehr sehen. Sie starb 2009 kurz vor ihrem 70. Geburtstag. An den tanzenden Grossmüttern hätte sie mit Sicherheit ihre wahre Freude gehabt.

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