«Oh glückseliger König, ich vernahm, dass in einem traurigen Land, wo alles in Trümmern lag, drei Handelsmänner ankamen. Sie kamen auf Anfrage der ruinierten Herrscher, die in ihren Tresoren kaum mehr als einen lauen Furz vorfanden.» So beginnt im Film, die Märchenprinzessin Scheherazade, von der ersten Kurzgeschichte über die Finanzkrise in Portugal zu erzählen. Mit den Handelsmännern sind die Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) gemeint, mit den Herrschern, die konservative Regierungsspitze Portugals. «1001 Nacht» vermischt Dokumentation mit Fiktion. Trotz unangenehmer Themen wollte Regisseur Miguel Gomes die Zuschauer unterhalten. Also verpackte er die Krisenzustände seines Landes in ein erschütterndes und gleichzeitig hoch ironisches Märchen. Entstanden ist eine experimentelle Trilogie.
Das zynischste Zitat
Im ersten Teil «Der Ruhelose» beginnt Scheherazade mit einer der bissigsten Geschichten. Die Regierungsspitze sowie Vertreter der EZB sind trotz ihrer Macht alles «Schlappschwänze». Die Impotenz der Mächtigen – ein Zeichen ihrer Unfähigkeit. Als sie einem Zauberer begegnen, gibt er ihnen ein magisches Potenzmittel. Beflügelt von neuer Manneskraft beschliessen sie die umstrittenen Sparmassnahmen: «Die Welt dreht sich um unsere Penisse. Das ist ziemlich cool.»
Der Regisseur
Miguel Gomes gehört zu den wichtigsten Regisseuren des zeitgenössischen portugiesischen Kinos. Das Genre der Doku-Fiktion, mit dem er Geschichten über sein Land erzählt, ist seine Spezialität. Der 43-Jährige vermischt Dokumentarisches mit Gespieltem so stark, dass man die Realität von der Fiktion kaum mehr unterscheiden kann. Dazu erweitert er das Konstrukt, in dem er den Prozess des Filmemachens miteinbezieht. Diese Struktur ist auch in «1001 Nacht» zu sehen. Besonders im ersten Teil, der mit dokumentarischen Aufnahmen beginnt, bis diese nach und nach von Aufnahmen des Filmteams abgelöst werden. In der Rolle als feiger Regisseur rennt Miguel Gomes sogar vom Filmset, weil er mit seiner Aufgabe überfordert ist. Das Geschichtenerzählen überlässt er dann der Märchen-Expertin Scheherazade.
Fakten, die man wissen sollte
«Eines schönen Tages erschien ein schöner und intelligenter Hund in einem armen Vorort.» Im zweiten Teil «Der Verzweifelte» geht es um die Mieter einer trostlosen Hochhaus-Siedlung. Die von der Krise ausgezehrten Bewohner leben anonym aneinander vorbei, bis der liebenswerte Hund «Dixi» erscheint und die Nachbarn zusammenbringt. «Dixi» heisst in echt Lucky und ist der eigentliche Star von «1001 Nacht». Der Malteser Mischling gewann nämlich beim Cannes Filmfestival 2015 den «Palm Dog Award». Eine besondere Ehrung für Film-Hunde. Statt einer goldenen Palme bekommen die Hunde ein goldenes Halsband mit der Aufschrift «Palm Dog».
Das Urteil
«Woher nimmst du deine Geschichten?» «Sie entspringen den Wünschen und Ängsten der Menschen», antwortet Scheherazade im dritten Teil «Der Entzückte». Es sind die Geschichten von Armen und Reichen, von Mächtigen und deren Drahtziehern. Aber vor allem geht es um ein von Sparmassnahmen gebeuteltes Land. Die Ereignisse und Geschichten von denen Gomes erzählt, stammen aus Zeitungsartikeln oder Berichten aus seinem Umfeld. Zwischen 2013 und 2014 filmte der Regisseur die Zustände in seinem Land und verwandelte den portugiesischen Alltag in ein tragisches, komisches und fantastisches Märchen. Für den Zuschauer ist der Einstieg in «1001 Nacht», mit seiner ungewöhnlichen Struktur, sicherlich nicht der einfachste. Aber spätestens, wenn die erste Kurzgeschichte beginnt, entfaltet «1001 Nacht» seinen Charme und vereint Kinomagie mit dem echten Leben.
Kinostart: 12.11.2015
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