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20 Jahre Blumhouse Productions Diese Sozialkritik ist Horror

Mit Filmen wie «Get Out» oder dem gerade angelaufenen «The Hunt» beweist Blumhouse Productions: Splatterspektakel gehen auch mit Anspruch.

Um es ganz klar zu machen: Blumhouse Productions produziert seit jetzt 20 Jahren erfolgreich B-Movies. Preiswerte Horrorstreifen, in denen, wie es das Genre verlangt, Menschen mit Messern und anderen megafiesen Mordwerkzeugen gemeuchelt werden. In denen Köpfe weggeschossen und Augen ausgerissen werden.

ein Geist und eine Frau
Legende: Blumhouse-Filme sind nichts für Zartbesaitete. Universal

Blumhouse Touch

Aber es gibt da einen Unterschied zu anderen Splatterorgien: Man könnte ihn den «Blumhouse Touch» nennen.

Der ist ein gutkonsumierbarer Cocktail aus sieben Anteilen Gemetzel und überraschenden Schockmomenten und drei Anteilen Gesellschaftssatire und Sozialkritik.

Steckbrief: Blumhouse Productions

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Blumhouse Productions wurde 2000 von Jason Blum gegründet. Die Erfolgsgeschichte des Studios begann 2007 mit dem Horrorfilm «Paranormal Activity».

Der wurde für 15'000 Dollar produziert und spielte weltweit über 190 Millionen ein. Mittlerweile gibt es sechs Fortsetzungen. 2010 wurde mit «Insidious» eine weitere erfolgreiche Filmreihe gestartet.

Das Studio ist mit seinen Horrorfilmen dicht am Puls der Zeit. «The Purge: Election Year» (2016) war eine Reaktion auf den Präsidentschaftswahlkampf. Auf die intensiv geführte Rassismus-Debatte in den USA reagierte das Studio mit «Get Out» (2017). Männlicher Chauvinismus und sexuelle Übergriffe gegen Frauen wurden in «Black Christmas» (2019) verurteilt.

80 Prozent der Kinofilme von Blumhouse Productions sind Horrorspektakel. Aber auch oscarprämierte Werke wie Damien Chazelles «Whiplash» oder Spike Lees «BlacKkKlansman» kommen aus dem Studio.

Seit 2017 hat Blumhouse Productions eine TV-Produktion, die Inhalte unter anderem für Syfy, Showtime und HBO produziert. Darunter ist eine Serie über Roger Ailes, der Fox News zu einem mächtigen Sender aufgebaut hat und später wegen Missbrauchsvorwürfen abtreten musste.

Der Anteil von Horrorfilmen liegt im TV-Bereich bei nur 20 Prozent.

Blut und Botschaft

Das bekannteste Beispiel des «Blumhouse Touch»: die bisher vierteilige «The Purge»-Franchise.

Die Ausgangslage der Filmreihe: Zwölf Stunden lang dürfen US-Bürger alle Straftaten, inklusive Mord, begehen und werden dafür nicht belangt. Das ist der sogenannte Purge, die Säuberung.

Die Filmemacher werfen dabei einen düsteren Blick auf die USA. Angeprangert werden soziale Ungerechtigkeit (Obdachlose sind stets die ersten Opfer, die Reichen verschanzen sich in ihren Villen) und Rassismus (der erste Purge findet als Testlauf in einem afroamerikanischen Viertel statt).

Diverse Maskierte
Legende: «The Purge: Election Year»: Sozialkritik durch Horror und Satire. Universal/ Sharon Lomofsky

Clinton vs. Trump

Der dritte Teil ist eine Persiflage auf den Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und dem heutigen US-Präsidenten Donald Trump und war quasi tagesaktuell. Denn «The Purge: Election Year» erschien im Sommer 2016, nur vier Monate vor der Wahl.

Weinender Afro-Amerikaner.
Legende: Daniel Kaluuya, der Hauptdarsteller in «Get Out». Universal

Oscar-Ehren

Ein ganz anderes Kaliber ist «Get Out». Mit dem Film gelang es Blumhouse Prodctions Zuschauer zu begeistern, die mit Horror normalerweise nichts am Hut haben.

In dieser einmaligen Mischung aus Satire, Slasher-, Splatter- und Exploitationsfilm geht es um Rassenwahn, darum, dass das Leben der Afro-Amerikaner ein ständiger Belagerungszustand ist und die Folgen der Sklaverei bis heute zu spüren sind.

Inszeniert vom afro-amerikanischen Regisseur Jordan Peel, bekam «Get Out» eine Oscar-Nominierung als bester Film und gewann den fürs beste Drehbuch.

Definitiv liberal

Die Schlagrichtung der Produktionen kommt nicht von ungefähr. Verantwortlich dafür ist Jason Blum, der 51-jährige Gründer und CEO von Blumhouse Productions.

Ein Mann im Smoking
Legende: Donald Trump-Kritiker und Studioboss Jason Blum, der sich zu Halloween schon mal als Ivanka Trump verkleidet hat. Reuters/Mario Anzuoni

Als er 2017 für ein Interview mit einer Reporterin der «New York Times» vor dem Weissen Haus stand, sagte er: «Ich denke, die grösste Bedrohung der Menschheit kommt aus dem Haus hier und den Menschen, die da arbeiten.»

Jetzt als VOD erhältlich: «The Hunt»

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Legende: Universal

«The Hunt» ist ein typischer Blumhouse-Film: eine Mischung aus Gemetzel, überraschenden Schockmomenten, Humor und Gesellschaftskritik.

Gemetzel

Die Geschichte ist schnell erzählt. Reiche, champagnerschlürfende Liberale entführen arme Konservative, jagen und bringen sie um.

Es ist auf den ersten Blick ein klassischer Vertreter des Subgenres des Menschenjagd-Films, in der Tradition von Irving Pichels «The Most Dangerous Game» oder John Woos «Hard Targets».

Humor

Blutig ist der Humor bei Blumhouse-Filmen. Das gilt auch für diesen. Folgende Szene: Ein Mann läuft schiessend durch einen Wald. Er hat bereits einen Pfeil im Rücken, ein zweiter trifft ihn in den Oberkörper, doch er rennt weiter, bis ein dritter ihn im Hals erwischt und er zu Boden fällt. Eine Handgranate landet daraufhin direkt vor seinen Augen, die er voller Angst schliesst. Pause. Nichts passiert. Die Granate explodiert nicht. Der Mann öffnete die Augen. Da hört er einen Dialog.

Frauenstimme: «Warum klappt das nicht?»

Männerstimme: «Hast du den Stift nicht gezogen?»

Frauenstimme: «Scheisse.»

Man hört ein «Pling». Eine zweite Granate landet vor den Augen des Mannes. Pause. Bumm!

Gesellschaftskritik

Wie bei vielen Filmen von Blumhouse Productions gibt es eine politische Ebene. Bei der konservativen Presse in der USA löste schon die Trailerpremiere im vergangenen Jahr eine hitzige Diskussion aus. Fox News fand, dass der Film die Ermordung von Trump-Anhängern verharmlose und zum Bürgerkrieg aufrufe.

US-Präsident Donald Trump twitterte : «Der Film, der herauskommt, soll ein Feuer entfachen und Chaos erzeugen. Sie (Anmerkung: gemeint ist das liberale Hollywood) schaffen ihre eigene Gewalt und versuchen, anderen die Schuld zu geben. Sie sind die wahren Rassisten und sehr schlecht für unser Land.»

Fox News und Trump sahen im Trailer ihre Anhänger in der Opferrolle. «The Hunt» provoziert, weil die Jäger Psychopathen sind, die für Diversität und Gleichberechtigung plädieren und wahrscheinlich die Demokraten wählen würden. Die Gejagten sind Rednecks, Rassisten, Homophobe, denen man zutraut, dass sie den amtierenden US-Präsidenten gewählt haben.

Es gibt klare Bezüge zur Realität. Die Jäger bezeichnen ihre Beute als «Erbärmliche». So hat Hillary Clinton einmal die Anhänger Donald Trumps genannt. Und den Erbärmlichen wird vorgegaukelt, wir wären in Arkansas, dem Bundesstaat aus dem die Clintons kommen.

Urteil

«The Hunt» schafft das Kunststück, dass der Zuschauer nicht, wie sonst üblich bei Filmen dieser Art, mit den Gejagten sympathisiert. Aber natürlich auch nicht mit den Jägern. «The Hunt» verabreicht seine Botschaft durch den Vorschlaghammer, nicht durchs Florett.

Es ist eine derbe, witzige Satire, in der es, neben Medienkritik, europäische Flüchtlingskrise und Klassenunterschiede, hauptsächlich darum geht, wie links und rechts in den USA auseinanderdriften und der Dialog nicht mehr möglich scheint.

Diese Problematik thematsiert «The Hunt» laut, direkt, blutig und brutal.

Der Film ist in der Schweiz erhältlich bei: Teleclub, Sky, Apple TV und Google Play.

Gutes Geschäft

Horror mit Sozialkritik, ein Konzept, das aufgeht. Über vier Milliarden US-Dollar haben Jason Blums Filme weltweit eingespielt. Seine Filme sind für Hollywood-Verhältnisse preiswert, die meisten kosten zwischen fünf und zehn Millionen Dollar und nehmen im Erfolgsfall ein Vielfaches ein.

Die vier «The Purge»-Filme beispielsweise haben circa 34 Millionen Dollar gekostet und knapp 450 eingespielt. «Get Out» wurde für 4.5 Millionen Dollar produziert. Kinoeinnahmen weltweit: gut 255 Millionen.

Kreativ, aber sparsam

Bei Jason Blum gilt für die Macher: Daumenschrauben bei der Einhaltung des Budgets, grösstmögliche Freiheit bei der Kreativität. Denn der Erfolg der Produktionen liegt natürlich nicht nur am «Blumhouse Touch».

Drei maskierte Killer
Legende: Drei Figuren aus dem Blumhouse-Universum. Universal

Wer stirbt als Nächstes?

Die Filme sind origineller Horror. Ohne Vampire und Zombies. Spektakel, die es schaffen die Geschichten über die mordenden Psychopathinnen und Psychopathen frisch und intelligent zu erzählen. Und bei denen sich der Zuschauer nie sicher sein kann, ob die vermeintliche Hauptfigur nicht gleich stirbt.

Eine Frau und eine Gruppe Jugendliche, die sie in ihrer Gewalt hat.
Legende: Blumhouse Productions arbeitet mit guten Schauspielern. Wie in «Ma» mit Oscar- und Golden-Globe-Preisträgerin Octavia Spencer. Universal

Zuschauer wollen Geschichten über sich selbst

Zu den blutigen Geschichten gehört auch, dass sie von Frauen und Männern verschiedenster Ethnien und Hautfarben erzählen. Diversität gehört zum «Blumhouse Touch», ist aber auch wirtschaftliches Kalkül. Sie definiert die breit gefächerte Zielgruppe des Studios.

Zuschauer wollen Geschichten über sich selbst, glaubt Jason Blum. «It’s good business», so hat er es mal in einem Interview zusammengefasst.

Radio SRF 3, 19.5.2020, 17:50 Uhr

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