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Helvetischer Horror vor dem Frauenstimmrecht
Aus Kultur Webvideos vom 14.06.2021.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 21 Sekunden.
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50 Jahre Frauenstimmrecht Archivperlen eines Schweizer Heldinnenkampfes

Stéphane Goëls Doku «De la cuisine au parlement: Edition 2021» illustriert den helvetischen Kampf um Gleichberechtigung.

«Das Fenster steht sperrangelweit offen. Es regnet hinein. Das Baby liegt auf dem Boden statt in seiner Wiege. Auf der Wiege thront die Katze.» Es ist der blanke Horror, den Patricia Schulz hier sorgfältig schildert.

Die ehemalige Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau beschreibt allerdings keinen Hollywood-Schocker. Sie analysiert ein reales politisches Plakat gegen das Frauenstimmrecht: «Es herrscht völliges Chaos. Eine totale Katastrophe. Weil die Mutter stimmen gegangen ist.»

RTS-Koproduktion

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Radio Télévision Suisse (RTS) hat diesen Film koproduziert.

Die Botschaft prangt in blutroten Lettern über dem buchstäblich plakativen Schreckensszenario: «Die Mutter treibt Politik!» Kaum zu glauben, dass diese Angstmacherei tatsächlich ernst gemeint war. Ja schlimmer noch: Sie funktionierte.

Chronische Neinsager

Egal ob auf kantonaler oder nationaler Ebene: Immer wieder wurde das Frauenstimmrecht abgelehnt. Die Liste ist absurd lang, was Dokumentarfilmer Stéphane Goël mit wiederkehrenden Nein-Tafeln illustriert.

Archivbild mit demonstrierenden Frauen aus dem Jahr 1929.
Legende: Die Männer liessen sie oft im Regen stehen: Demonstrierende Vorkämpferinnen in einer Aufnahme aus dem Jahr 1929. First Hand Films

Allein zwischen 1919 und 1927 scheiterten neun kantonale Abstimmungen am rein männlichen Stimmvolk. Dasselbe triste Bild in den 40er- und 50er Jahren: 15 Versuche, 15 Niederlagen.

Auf die Frage, wieso Schweizer Männer ihren Gattinnen das politische Mitspracherecht verwehren, antworteten diese oft: Frauen seien gar nicht daran interessiert, stimmen und wählen zu gehen.

Angst vor gleichen Pflichten

Verbreitet wurde das sexistische Argument ausgerechnet von einer Frau: Gertrud Haldimann, Präsidentin der Schweizer Liga gegen das Frauenstimmrecht.

Die gab im Brustton der Überzeugung zu Protokoll: «Ich will nicht dieselben Rechte haben wie die Männer, weil ich auch nicht dieselben Pflichten erfüllen möchte.»

Schwarzweissbild der Landsgemeinde in Aktion.
Legende: Die Appenzeller Landsgemeinde in Aktion: «Wer gegen das Frauenstimmrecht ist, der bezeuge es mit der Hand.» First Hand Films

Die gleiche Meinung vertrat lange auch der Katholische Frauenverein. Doch 1957 änderte dieser seine Parole. Die Weichen für die Annahme des Frauenstimm- und Wahlrechts auf nationaler Ebene waren somit gestellt. Dachten zumindest viele.

Unendlicher Kampf

1959 kam erstmals eine entsprechende Bundesvorlage vors Volk. Zur grossen Enttäuschung der meisten Frauen legten zwei Drittel der Männer ein Nein in die Urne.

Erst 1971 drehte der Wind: 57 Prozent der Stimmberechtigten befürworteten nun das Frauenstimmrecht. «Danke für die Rosen!» titelte der Blick – mit einer nackten Blondine auf dem Cover.

Interview-Bild von alt Bündesrätin Ruth Dreifuss.
Legende: Plaudert in Stéphane Goëls unterhaltsamer Doku aus dem Nähkästchen: Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss. First Hand Films

Stéphane Goël lässt seine Heldinnenreise allerdings nicht mit diesem Triumph weiblicher Beharrlichkeit enden. Sie ist bloss eine von vielen Stationen auf dem langen Weg ins Bundeshaus. Vor dem engagierte Frauen auch heute noch für Geschlechterparität kämpfen. Mit dem aktuellen Schlachtruf: «Gleicher Lohn für gleiches Tun; vorher werden wir nicht ruh’n!»

Kinostart: 17. Juni 2021

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