Die Haltung des griechischen Regisseurs Costa-Gavras («Missing» USA 1982) ist in «Adults in the Room» unmissverständlich: Die Griechen sind Opfer des globalen Kapitalismus geworden – verschuldet durch die Euro-Katastrophe.
Damit übernimmt Costa-Gavras die Ansicht des Autors, der die gleichnamige Buchvorlage verfasst hat: Kein geringerer als Yanis Varoufakis, Ex-Finanzminister Griechenlands, 2015 ein knappes halbes Jahr im Amt.
Der Titel «Adults in the Room» stammt aus einem Zitat der damaligen IWF-Chefin Christine Lagarde nach einer Sitzung der Eurogruppe: «Im Moment fehlt uns ein Dialog. Der wichtigste Punkt ist die Wiederherstellung des Dialogs mit Erwachsenen im Raum.»
60 Euro pro Tag
«Adults in the Room» erzählt – ohne Objektivität vorzutäuschen – die Ereignisse der einschneidendsten Zeit Griechenlands in jüngerer Zeit.
Nach dem Wandel der griechischen Drachme zum Euro geriet das Land ab 2010 in einen finanziellen Abwärtsstrudel. Höhepunkt der Krise war 2015 der Stopp jeglichen Kapitalverkehrs zwischen der EU und Griechenland. Jeder Grieche und jede Griechin durfte nur noch 60 Euro pro Tag vom privaten Bankkonto abheben, weil die Regierung Tziprias einen Finanzkollaps befürchtete.
Spannend für Euro-Kenner
«Adults in the Room» – Costa-Gavras’ erster Spielfilm, den er in seinem Heimatland gedreht hat, – wird als Polit-Thriller verkauft. Ein hoher Anspruch bei einem so komplexen Thema.
Tatsächlich sollte das Kino-Publikum über ein hohes Interesse an der Europapolitik verfügen, um den mehr als zweistündigen Film durchgehend spannend zu finden. Denn im Kern handelt es sich um eine Chronologie der teilweise aberwitzigen Ereignisse, die damals in Brüssel vor sich gingen.
Sandkastenspiele für Erwachsene
Das Treffen der Eurogruppe mit dem damals polit-unerfahrenen neuen griechischen Finanzminister Varoufakis erinnert zeitweise an Sandkastenspiele. Nur geht es nicht um Plastik-Förmchen, sondern um Milliarden.
Ein Höhepunkt im Film ist ein privates Treffen zwischen Varoufakis und seinem grössten Widersacher innerhalb der Eurogruppe: Wolfgang Schäuble, damals deutscher Finanzminister.
Mit allen Wassern gewaschen
Die akkurate Umsetzung des Buches von Varoufakis zeigt einmal mehr, dass der 86-jährige Regisseur Costa-Gavras mit allen Wassern gewaschen ist, wenn es um die Verfilmung brisanter Polit-Stoffe geht.
Er führte Regie bei mehreren Genre-Klassikern. Mit «Z», einem Film über die Errichtung der griechischen Militärdiktatur in den 1960er-Jahren, gewann er einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Bereits im Theater umgesetzt
«Vermisst» handelt vom Verschwinden eines Journalisten in Chile nach dem Putsch 1973. Der Film wurde 1982 am Filmfestival von Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet und mit einem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch.
«Adults in the Room» startet im September weltweit in den Kinos. Einem Teil des Schweizer Publikums ist die Geschichte als Bühnenstück bekannt. Die Theater-Adaption feierte vor zwei Jahren am Zürcher Theater Neumarkt Premiere.
Sendung: Radio SRF 3, 4.9.2019, 13:10 Uhr.