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Film & Serien Film-Tipp des Tages: Die Ermordung des Jesse James ...

Bis in die Nebenrollen perfekt besetzt, betörend abgefilmt und mit einem sphärischen Nick-Cave-Soundtrack unterlegt erzählt Andrew Dominik die Geschichte des Outlaws Jesse James aus einer überraschenden Perspektive, als fesselndes Psychodrama um Identität und Loyalität.

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Dienstagnacht um 00:15 Uhr auf SRF zwei.

Nach 25 Bank-, Zug- und Postüberfällen zwischen 1867 und 1881 ist die landesweit bekannte und gefürchtete James-Gang in alle Winde zerstreut, ihre Mitglieder sind grösstenteils tot oder im Gefängnis. Einzig Jesse und sein älterer Bruder Frank (Sam Shepard) wollen es noch ein Mal versuchen: Mit einer bunt zusammengewürfelten Schar von Strolchen überfallen sie am 5. September 1881 einen letzten Zug. Nach dem gelungenen Überfall macht sich Frank aus dem Staub.

Den 34jährigen Jesse verbindet nichts mit den übriggebliebenen Gefolgsleuten, weder mit seinem Cousin Wood Hite (Jeremy Renner) noch dem grossmäuligen Dick Liddil (Paul Schneider) noch mit Ed Miller (Garret Dillahunt) oder den Brüdern Charley (Sam Rockwell) und Robert «Bob» Ford (Casey Affleck). Nach jahrelanger Flucht vor den Gesetzeshütern und Verehrung durch die kleinen Leute neigt er, der sich früher gerne als gesellig bezeichnete, zu Paranoia und erschreckt die Menschen in seiner Umgebung mit exzentrischen Anfällen.

Spannungsgeladene Entourage

Die Spannung innerhalb der Männergruppe ist gross. Das hält den knapp 20jährigen Bob Ford nicht davon ab, mit aller Macht um Jesses Aufmerksamkeit zu kämpfen. Seit er denken kann, ist der ältere Outlaw sein Vorbild: Und er besitzt alle Groschenromane, die je über Jesse James geschrieben wurden. Der unsichere, schwächliche Bob will durch Jesses Nähe und Freundschaft die Misere seiner eigenen Existenz vergessen.

Doch Jesse scheint ihn kaum zu bemerken, geschweige denn ernstzunehmen. Diese Zurückweisung zeitigt fatale Folgen. Bobs Verehrung schlägt in Hass um, und er lässt sich von Vertretern aus Regierungskreisen mit einem Kopfgeld ködern: Am 3. April 1882 schiesst er sein Idol in den Rücken. In der Folge tingelt er als Schausteller durch das Land: Doch die theatralische Wiederholung seiner Tat bringt ihm keinen Ruhm, denn in den Augen seiner Zuschauerinnen und Zuschauer bleibt er ein Feigling, der einen legendären Helden ermordet hat.

Neuerfindung des ältesten Genres Hollywoods

Der Neuseeländer Andrew Dominik («Killing Them Softly») hat den uramerikanische Mythos des Outlaws Jesse James – teils historisch verbürgte Figur, teils sagenumwobene Legende – auf faszinierende Weise verfilmt. Das Branchenblatt «Variety» lobt: «Ein hinreissendes, poetisches Epos, mit höchster Meisterschaft umgesetzt, das seine Figuren mit der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie ihrem Schicksal entgegenträgt. 'The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford' ist mit den besten Western der 1970er-Jahre vergleichbar und damit eine wundervolle Rückbesinnung auf eine Zeit, als die Filmemacher das älteste Genre Hollywoods immer wieder neu erfunden haben.»

Dominik lässt sich Zeit beim Beobachten seiner Figuren; die Dramaturgie steht nie im Vordergrund, eher schon die psychologischen Beweggründe für die Taten der Protagonisten, aber auch Details und Anekdoten, die untrennbar mit der Legende Jesse James verknüpft sind. Dabei stellt die Erzählung, wie schon im Titel angedeutet, den späteren Attentäter Robert Ford in den Mittelpunkt. Die Entwicklung des unsicheren, schwächlichen Mannes vom grössten James-Verehrer zu dessen grössten Neider und Hasser wird von Casey Affleck perfekt dargestellt. Der Film erzählt von der Obsession eines wahren Fans und thematisiert damit die dunklen Seiten des Star-Kults.

Starke Bilder, starke Cast

Brad Pitt, der den Film mitproduziert hat, spielt in seiner Rolle auch mit seinem eigenen Star-Image. Dabei agiert er eher zurückhaltend, ist mehr Objekt als aktiver Held. Auch die Nebenrollen sind mit Sam Shepard, Sam Rockwell, Marie-Louise Parker und Jeremy Renner illuster besetzt. Eine zentrale Funktion kommen den elegant komponierten Bildern von Kameramann Roger Deakins zu, der dafür eine Oscar-Nomination erhielt, sowie dem betörenden Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis.

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