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Film & Serien Film-Tipp des Tages: «Vaters Garten»

Ein Jahr lang hat Peter Liechti seine Eltern mit der Kamera begleitet. Er fühlte sich stets als Fremder in der Familie; diesem Gefühl geht er in «Vaters Garten» auf den Grund. Die Eltern lassen sich darauf ein. Je länger der Film dauert, umso deutlicher wird wie verschieden sie sind.

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Mittwochnacht um 00:10 Uhr auf SRF 1.

«Um Himmels Willen – das sind Fragen!», erschrickt die Mutter, als der Sohn das Gespräch mit seinen Eltern sucht. Er möchte einen Film über sie machen. Jahrzehntelang war man sich aus dem Weg gegangen. Den Anstoss zur Wiederannäherung gab eine zufällige Begegnung des Filmemachers mit einem Fremden: seinem inzwischen über 80 Jahre alten Vater. Je öfter er daraufhin seine Eltern wiedersah, umso mehr rührten ihn ihr hohes Alter und ihr langsames Verschwinden aus dem Leben und aus einer Welt, die längst nicht mehr die ihre ist.

Peter Liechti bezeichnet seinen Film als den «Versuch einer persönlichen Geschichtsrevision». Während eines ganzen Jahres fanden Gespräche statt, die Kamera führte Protokoll. Liechti fühlte sich stets als Fremdling in seiner Familie; im Film geht er dieser Fremdheit mit schonungslos direkten Fragen auf den Grund.

Die Eltern lassen sich, einträchtig auf dem Sofa sitzend, darauf ein. Doch je länger die Gespräche dauern, umso deutlicher wird, dass Vater Max und Mutter Hedy - seit 62 Jahren miteinander verheiratet – zwei grundverschiedene Charaktere sind. Beide tragen Träume und Sehnsüchte in sich, die wohl auch deshalb unerfüllt geblieben sind, weil sie so weit auseinanderklaffen.

Um der Gespaltenheit seiner eigenen Position Ausdruck zu verleihen, inszeniert der Filmemacher, der ja auch Beteiligter ist, einen Teil der Interviews und allzu intime Familienszenen als Puppentheater, in dem auch die «Geister der Vergangenheit» ihren Auftritt haben. Behutsam erzählt er auf diese Weise nicht nur seine, die «Geschichte vom verlorenen Sohn», sondern auch und vor allem die «Geschichte von verlorenen Eltern»: der Generation der heute über 80-Jährigen. Sie verweigert sich dem Computer, sie will nicht ins «Netz» und denkt nicht «global», sondern dezidiert konservativ. Sie beklagt den allgemeinen Verlust an Identität und Freiheit, das Verschwinden von Respekt und moralischen Werten. Und sie wird bald selbst verschwunden sein.

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