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Film & Serien Jeremy Irons: «Die Leute weinten – in einem Film über Mathematik»

«The Man Who Knew Infinity» erzählt die wahre Geschichte eines indischen Mathegenies: Ein junger Mann wird in den 1910er-Jahren nach Cambridge eingeladen – vom scheuen Mathematikprofessor G.H. Hardy. In dessen Rolle schlüpfte Jeremy Irons, der im echten Leben alles andere als ein Mathenerd ist.

SRF Kultur: Jeremy Irons, in «The Man Who Knew Infinitiy» spielen Sie einen Mathematikprofessor. Wie wichtig war es, etwas von Mathematik zu verstehen?

Jeremy Irons: Für mich war es nicht wichtig, Mathematik zu beherrschen. Aber ich musste die Leidenschaft eines Mannes verstehen, der die reine Mathematik studierte. Ich begriff, dass Mathematik eine Kunst ist. Sich ihr anzunähern, ist gar nicht so anders, als wenn man als Schauspieler eine Figur verstehen will.

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Filmkritik zu «The Man Who Knew Infinity»
aus Kultur kompakt vom 12.05.2016.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 40 Sekunden.

Ich studierte G.H. Hardy, Cambridgeprofessor und einen der herausragenden Mathematiker seiner Zeit. Er realisierte, dass hinter seiner Weltfremdheit und Unfähigkeit, mit Menschen umzugehen, eine grosse Leidenschaft für die reine Kunst steckt – und die teile ich. Ich musste nicht selbst rechnen können, sondern nur anerkennen, was die Mathematik für ihn bedeutete, welche Gefühle sie bei ihm auslöste.

Dafür mussten Sie immerhin erkennen können, was Mathematik alles sein kann?

Ja! Ich dachte immer, Mathematik sei ein trockenes Fach, in dem es um Beweise und exakte Genauigkeit geht. Nun habe ich entdeckt, dass das gar nicht stimmt. Vieles geht nicht auf. Mathematik ist eine Art «Stream of Consciousness» der ständigen Entdeckungen. Sie ist eine echte Kunst und sehr aufregend für die, die sie ausführen.

Ein älterer Herr mit  Halstuch, buschigen Augsbrauen und kurzem Haar; er lächelt.
Legende: Jeremy Irons, geboren 1948, bekam 1991 den Oscar als bester Hauptdarsteller im Film «Die Affäre der Sunny von B.». Imago/Insidefoto

Im Film geht es aber um weit mehr als um Mathematik.

Die Mathematik ist der rote Faden des Films. «The Man Who Knew Infinity» ist jedoch auch ein Film über zwei sehr unterschiedliche Männer. Da ist Srinivasa Ramanujan aus Indien, an den Standards von Cambridge gemessen unausgebildet. Dort ist Professor Hardy, der mit der Mathematik aufwuchs, in Internaten ausgebildet und immer schon als Genie betrachtet wurde und deshalb sehr einsam ist.

Menschen fühlen sich unwohl in der Gesellschaft von Genies. Hardy hat nie gelernt, Beziehungen zu führen, normal zu kommunizieren. Zu sehen, wie diese zwei gegenteiligen Pole zusammenkommen, zusammenarbeiten, das ist der dramatische Motor des Films. Es geht um eine geteilte Leidenschaft.

Welche Gefühle löste der Film beim Publikum aus?

Als wir den Film in Toronto zeigten, weinten die Leute in der Vorstellung. Ich fand das seltsam in einem Film über Mathematik. Aber weil unser Regisseur diese Leidenschaft der Figuren für ihre Materie ins Zentrum stellte, hat das Thema Mathematik die Leute nicht abgeschreckt. Das freut mich sehr.

Was faszinierte Sie an der Figur des G.H. Hardy am meisten?

Mir gefiel, dass er, der nicht wirklich mit Menschen kommunizieren konnte, so berührt war von dieser Begegnung mit Srinivasa Ramanujan. In einem Text spricht er von dieser Zeit und davon, dass dies die einzige romantische Periode seines Lebens war. Damit meinte er nicht eine Liebesromanze. Er spricht von der Romantik, die in geteilten Idealen und Zielen steckt.

Es ist wie in Kriegszeiten, wo Männer gezwungen waren, Momente der Gefahr zu teilen, und die Möglichkeit bestand, jederzeit sterben zu können. In diesen Kriegszeiten entstanden sehr enge Beziehungen, über die man gar nicht sprechen konnte. Das hatte nichts mit Liebe und Sexualität zu tun, das waren einfach sehr starke Bindungen. Dasselbe passierte 1913 in Cambridge mit G.H. Hardy und Ramanujan wegen der Mathematik. Eine sehr seltsame Geschichte.

Kinostart: 12.5.2016

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