Während die Grundschulen wieder offen sind, bleiben Kinos wegen der Pandemie mindestens bis zum 8. Juni geschlossen. Und gedreht wird in der Schweiz derzeit so gut wie gar nicht.
Den momentanen Stillstand als Schockstarre zu bezeichnen, wäre dennoch falsch. Es sind eher Risikoabwägungen, die dafür verantwortlich sind, dass momentan fast alles auf Eis liegt.
Dabei hatte das Jahr 2020 für die Schweizer Filmbranche so gut begonnen. Über 280'000 Zuschauer waren in die Kinos geeilt, um das Drogendrama «Platzspitzbaby» zu sehen.
Wilder Halt auf halber Strecke
Von diesem Grosserfolg beflügelt, widmete sich Produzent Peter Reichenbach beschwingt seinem nächsten Projekt: der dritten Staffel der SRF-Serie «Wilder». Doch dieses wurde nach 35 von 60 Drehtagen abrupt gestoppt.
Zuerst verletzte sich Hauptdarstellerin Sarah Spale am Knie, wenig später folgte der Lockdown wegen Corona. Wann weitergedreht werden kann, ist ungewiss, wie Reichenbach in unserem Interview betonte:
«Wir befinden uns gerade etwas im Blindflug und hoffen, Mitte Juli wieder loszulegen. Sofern das dann machbar ist. Um das herauszufinden, erarbeiten wir im Moment verschiedene Konzepte.»
Virenerfahrene Pornobranche
Drehen, ohne unnötig eine Ansteckung zu riskieren. Danach sucht die Filmbranche fiebrig. Im ehemaligen Sexkino Stüssihof treffen wir einen Mann, der weiss, wie es gehen könnte.
Ex-Porno-Produzent Peter Preissle hat quasi hautnah miterlebt, wie harte Pornos in den 80er und 90er Jahren gedreht wurden – ohne Gummi, trotz HIV-Epidemie. Möglich gemacht habe dies ein rigides Kontrollsystem, wie er im Interview erläuterte:
«Da wurde einfach getestet, getestet, getestet. Und bevor der Dreh begann, musste jeder einen relativ neuen, höchstens zwei, drei Tage alten Test vorweisen. Der bestätigte, dass man HIV-negativ ist.»
Auf die Grösse kommt es an
Natürlich gibt es zwischen HIV und COVID-19 unzählige Unterschiede. Doch für beide Viren gilt: Wer nicht infiziert ist, kann auch niemanden anstecken.
Warum also nicht von der Pornobranche lernen? Statt auf HIV könnte man alle auf dem Set auf Corona testen lassen und dann an einem hermetisch abgeriegelten Ort drehen. Liesse sich diese bewährte Praktik nicht auch beim Spielfilm durchsetzen?
Spielfilm-Produzent Peter Reichenbach ist skeptisch: «Das mit dem Testen wird sicher kommen – auf die eine oder andere Weise. Ob ich bei einer grossen Produktion alle in Quarantäne stecken kann, ist eine ganz andere Frage.»
Wachsende Lust auf frische Inhalte
Die Methode funktioniere nur, wenn wenige Techniker und Schauspieler involviert seien und rasch gedreht werden könne, führt Reichenbach fort. Dass «Wilder» in totaler Isolation fertiggedreht wird, hält der 65-Jährige für unwahrscheinlich:
«Ich müsste dann ja ein ganzes Hotel mieten, wo alle drin sind. Und keiner mehr raus darf. Wer da mitmacht oder wer sagt: Nein, diesen Wahnsinn mach ich nicht mit; das kann ich so nicht sagen.»
Wann in der Schweiz wieder wie gedreht wird, weiss derzeit niemand. Bis es soweit ist, dürfte die Lust auf frische Inhalte weiter wachsen.