Jesses! Oder noch treffender: Heiliger Nikolaus! Er boxt, flucht und säuft. Diesen Weihnachtsmann sieht man zweifelnd an. Und fragt sich: Was ist bloss aus Santa geworden?
Ausgerechnet der wegen seines erzkonservativen Glaubens umstrittene Mel Gibson verkörpert in «Fatman» den Chlaus. Nicht irgendeinen, sondern den einzig wahren: «Mister Ho ho ho» höchstpersönlich.
So würde sich der abgehalfterte Mann allerdings nie selbst bezeichnen. Chris Cringle, wie Santa mit bürgerlichem Namen heisst, lebt mit seiner afroamerikanischen Frau und einer Horde Elfen in Kanada.
Nichts als Ärger
Um über die Runden zu kommen, muss er in seiner Geschenke-Fabrik neuerdings auch Waffen produzieren, weil ihm die Regierung sonst das Budget kürzen würde. Klingt gesellschaftskritisch. Ist es aber nicht, zumal der Film herzlich wenig mit dieser Steilvorlage anzufangen weiss.
Stattdessen konzentriert er sich darauf, die Geschichte eines bitterbösen Kopfgeldjägers zu erzählen. Dieser soll im Auftrag eines verwöhnten Rotzbengels den Wohltäter in Rot zur Strecke bringen. Und das alles bloss, weil nicht das richtige Geschenk unter dem Weihnachtsbaum lag.
So läuft schliesslich alles auf eine humorlose Schiesserei hinaus: Ein finales Duell, in dem sich die zwei altmodischen Männer wie Westernhelden gegenüberstehen. Lanciert von einer rhetorischen Frage, die Santas neues Selbstverständnis auf den Punkt bringt: «Denkst du als Weihnachtsmann reicht es, fett und fröhlich zu sein?»
Blutige Spuren im Schnee
Santa hat als Kinofigur in den letzten Jahren auffällig viele Blutspuren hinterlassen. Nicht Grosszügigkeit und Nächstenliebe, sondern Ulk und Totschlag scheinen der neue rote Faden zu sein.
Wie kommt’s? Edna Epelbaum, Präsidentin des Schweizerischen Kino-Verbands, führt Santas Identitätskrise auf ein generelles Imageproblem zurück. Dasjenige des alten, weissen Mannes in einer Gesellschaft, die patriarchale Strukturen zunehmend ablehnt.
Good old Santa werde heute von vielen als «der weisse Mann per se» wahrgenommen: «Weil der Film die Realität widerspiegelt, wird der Weihnachtsmann als Wohltäter in Frage gestellt. Oder man macht eine Komödie daraus.»
Identitätssuche eines alten Mannes
Auch die absurd wirkende Prämisse von «Fatman» lässt eine schwarze Komödie erahnen. Dunkel ist der Film durchaus, komisch aber höchst selten. Nur wer auf altmodisches Geballere im Stil der 80er steht, kommt hier auf seine Kosten.
Als Actionheld von altem Schrot und Korn dürfte sich der Chlaus jedoch kaum etablieren. Aber auch eine Rückbesinnung zum traditionell gefühlsschwangeren Santa-Film hält Epelbaum für unwahrscheinlich. Zumal die grössten Kino-Winterhits der letzten Jahre allesamt gut ohne Weihnachtsmann auskamen.
Die Branche habe daraus ihre eigenen Schlüsse gezogen: «Dass es eben nicht nur um einen dicken, weissen Mann gehen sollte», wie Epelbaum abschliessend festhält.
Rettung in Sicht
Steht der Chlaus also vor dem Aus? Angesichts seiner Langlebigkeit im Film ist nicht davon auszugehen.
Auch wenn «Fatman» derzeit ordentlich sein Fett wegkriegt, so ist doch Rettung in Sicht: Santas schwarze Frau verschiebt das Geschlechterverhältnis wenigstens ein bisschen in Richtung Parität.
Wenn wir aus diesem Film also etwas lernen können, dann dies: Ohne die wehrhafte Mrs. Cringle hätte der Weihnachtsmann längst ins Gras gebissen.