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Neu im Kino «Knives Out»: Hier werden Sie hereingelegt

Wer war's? Im Spielfilm «Knives Out» liegt der Patriarch mit durchtrennter Kehle im Zimmer – und die Jagd auf das Erbe beginnt.

Privatermittler Benoit Blanc (Daniel Craig) scheint gar nicht so genau zu wissen, wer ihn überhaupt angestellt hat. Aber jetzt ist er hier: auf einem abgelegenen Landsitz, im Schatten der ermittelnden Polizei, unter den verdächtigen Mitgliedern einer Familie. Und alle sie beklagen den – vermeintlichen? – Selbstmord ihres Familienoberhaupts.

Das narrative Modell ist seit Agatha Christies Romanen altbekannt: Blanc klärt den Fall am Schluss natürlich auf – und im Kino probiert man, schneller zu sein als er.

Drehbuchautor und Regisseur Rian Johnson (zuletzt für die «Star-Wars»-Franchise tätig) hat sich mit diesem Projekt offensichtlich ein Vergnügen mit Starbesetzung gegönnt.

Man merkt dem Film die Lust des Autors an, sein Publikum an der Nase herumzuführen und zwischen versteckten Hinweisen und falschen Fährten zu mäandern – bis schliesslich alle Karten auf dem Tisch liegen. Johnson hat spürbar Lust, mit den Menschen zu spielen, die er unterhält.

Auftritt Nebelpetarde

Ob ein klassisches Whodunit wie «Knives Out» dann aber auch wirklich funktioniert – das steht und fällt logischerweise mit der Auflösung: Sie darf weder zu offensichtlich noch zu abwegig sein. Man ist beim Zuschauen immer dann zufrieden, wenn man den richtigen Verdacht zwar geschöpft, aber die Lunte dennoch nicht zu früh gerochen hat.

Dieser Effekt gelingt Johnson, indem er eine Nebelpetarde in den Raum wirft: Er lenkt den Verdacht des krimigeschulten Publikums von Anfang an gezielt in eine völlig falsche Richtung und schmuggelt derweil die Ansätze zur richtigen Lösung erstaunlich grosszügig unter seinen Augen vorbei.

Drei Männer zeigen einer jungen Frau eine Videokassette.
Legende: Der Videobeweis? Sicher ist: Der Frust am Schluss spricht für den Film. Impuls Pictures AG

Von der Konstruktion her ist «Knives Out» also ein gelungener Krimi, weil man zum Schluss ein wenig frustriert ist: Man hat sich hereinlegen lassen.

Aber «Knives Out» wäre kein gelungener Film, wenn er über diesen strukturellen Kniff heraus nicht noch etwas zu bieten hätte, das ihn von anderen Produkten in der gleichen Liga abhebt: Schliesslich ist Kenneth Branaghs ähnlich angelegte Agatha-Christie-Verfilmung «Murder on the Orient Express» noch nicht lange her, und die Dreharbeiten zum Folgeprojekt «Death on the Nile» sind bereits abgeschlossen.

Krimiklassiker auf SRF

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SRF zeigt diese Tage gleich zwei «Whodunit»-Krimiklassiker:

Dialogwitz und Sozialsatire

Was Rian Johnsons Variante des bekannten Spiels eigenständig und vergnüglich macht, ist der scharfzüngige Humor des Drehbuchs: Genüsslich entwirft der Autor heuchlerische Figuren, die von sich behaupten, sie seien finanziell erfolgreich. Obwohl alle von ihnen über Leichen gehen würden, um an die Erbschaft zu gelangen.

Das ist bis zu einem gewissen Grad als eine politische Satire auf die US-Oberklasse aufzufassen: Ohne Zweifel haben ein paar Figuren in dieser Geschichte Donald Trump gewählt. Aber es bleibt diesbezüglich bei harmlosen Sticheleien.

Ein Mann im Mantel spielt mit einem Baseball.
Legende: Ein Ball, pardon, Fall für Daniel Craig. Der Bond-Darsteller glänzt in «Knives out» als Privatermittler. Impuls Pictures AG

Politisch neutral und unbestechlich ist die Hauptfigur: Der Brite Daniel Craig zerdehnt als Benoit Blanc seine geschwollenen Sätze genüsslich in einem frei erfundenen Südstaaten-Akzent. Allein dieser sprachliche Kunstgriff macht deutlich, das hier eigentlich alles im Bereich der Parodie spielt.

«Wenn ein Testament verlesen wird, dann ist das, wie wenn eine Laien-Theatergruppe eine Steuererklärung aufführt», sagt Blanc einmal schnippisch. Damit bringt er auf den Punkt, wie «Knives Out» funktioniert: Der Film ist eine reine Farce – aber mit Gusto aufgeführt von Vollprofis.

Kinostart: 2.1.2020

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