Roland Emmerich bleibt sich treu, das muss man ihm lassen. Auch in seinem neusten Film gibt es endlose Actionszenen, atemberaubende Explosionen, Patriotismus in XXL-Rationen. Plus das obligate Quäntchen Liebe, gepaart mit Männerfreundschaften.
Sturzflüge unter Flab-Hagel
Unter zwei Stunden sind Emmerichs wuchtigen Werke nicht zu haben. Der Film über die entscheidende US-japanische-Schlacht im Pazifik bei den Midway-Inseln dauert 138 Minuten.
Danach hat jeder Kinobesucher verinnerlicht, wie sich ein Sturzflug unter Flab-Hagel auf einen feindlichen Flugzeugträger anfühlt: höllisch anstrengend.
Ein grüner Greta-Fan
In unserem Interview zeigt sich der 63-jährige Deutsche als politisch denkender und handelnder Mensch. Er wähle die Grünen seit mehr als 15 Jahren, erklärt er stolz. Wenig später fügt er an, dass er die junge schwedische Umwelt-Aktivistin Greta Thunberg «super» finde.
Es sei beschämend für Politiker, dass eine 16-Jährige auf den Ernst der Lage aufmerksam machen müsse, bevor gehandelt werde. «Sie ist im ganzen Pessimismus der einzige Lichtblick», meint Emmerich. Die eigene politische Haltung widerspiegle sich auch in seinen Filmen; wie zum Beispiel dem Klimaschocker «The Day After Tomorrow».
Politischer Subtext
Doch wie politisch sind Emmerich Filme wirklich? Filmwissenschaftler Marius Kuhn hat für SRF deren politische Aussagekraft analysiert.
«The Day After Tomorrow» zeige laut Kuhn, dass Emmerich mit seinem ökologischen Bewusstsein gewisse Entwicklungen vorausahnen könne: «Roland Emmerich hat sicher ein Gespür für aktuelle Themen, auf die er manchmal sogar mit Ironie verweist. So müssen am Ende von ‹The Day After Tomorrow› Amerikaner ausgerechnet nach Mexiko flüchten.»
Noch offensichtlicher als politisches Statement ist das Schwulendrama «Stonewall» (2015) zu verstehen.
Aufstand der Gay-Community
Darin thematisiert Emmerich, der 2017 seinen Lebenspartner geheiratet hat, den Aufstand Homosexueller gegen Polizeigewalt in der New Yorker Christopher Street im Sommer 1969. Das Drama über die Geburtsstunde der Gay-Pride-Bewegung kam allerdings nicht gut an.
Zu viele Weisse würden zu heldenhaft dargestellt, lautete die Kritik aus der Community. «Stonewall» betreibe sogenanntes «Whitewashing». Schwarze, Transsexuelle oder andere Ethnien seien untervertreten. LGBT-Aktivisten riefen gar zum Boykott des Films auf.
Für ein geeintes Amerika
Sein neustes Historiendrama «Midway» spiele zwar 1942, sei aber gerade für die heutige Zeit wichtig, findet Emmerich. Weil er «die Bedeutung eines geeinten Landes» thematisiere.
US-Präsident Donald Trump treibe dagegen die Spaltung Amerikas voran: «Das war damals ein geeintes Land, das für die Demokratie gekämpft hat. Wenn man heute sieht, was in den USA passiert, dann ist es gut, so was zu zeigen.»
Filmwissenschaftler Marius Kuhn sieht es anders: «Emmerich propagiert zwar Einigkeit, aber sie richtet sich gegen einen klar definierten Feind. Da ist der Film martialisch und patriotisch gefärbt. Damit stellt er sich nicht unbedingt gegen Positionen, wie sie Donald Trump oder andere Populisten vertreten.»
Sein Fazit zu «Midway»: «Zweieinhalb Stunden Schlacht. Waffengewalt ist das Credo, das dieser Film propagiert». Emmerichs Aufruf zur Einigkeit wirkt darum unglaubwürdig. Sogar wenn er ernst gemeint sein sollte, geht er im Kugelhagel glatt unter.
Kinostart: 7.11.2019