Können Sie sich noch an Ivan Drago (Dolph Lundgren) erinnern? Bei Rocky-Fans wird’s sofort klingeln: So heisst der blonde Riese, der für Hollywood Mitte der 80er Jahre die Sowjetunion und alles Schlechte dieser Welt verkörperte.
30 Jahre nach dem Kalten Krieg kehrt der böse Russe zurück ins fiktive Boxer-Universum, das inzwischen munter weiterexpandiert ist. Seit dem gefeierten Ableger «Creed» verteilt Rocky (Sylvester Stallone) nur noch Ratschläge statt Schläge. Als Trainer von Adonis Creed (Michael B. Jordan), dem Sohn von Ex-Weltmeister Apollo Creed.
Letzterer ist einst in Rockys Armen gestorben, nachdem ihn Drago im Ring mit mörderischen Schlägen traktiert hatte. Vielleicht wäre sein Leben zu retten gewesen. Wenn Rocky als Apollos Betreuer rechtzeitig das Handtuch geworfen hätte. Seither verfolgt Rocky das Gefühl, an Apollo Creeds Tod mitschuldig zu sein.
Creed gegen Drago zum Zweiten
Umso mehr fühlte sich Rocky dazu verpflichtet, Apollos Sohn unter seine Fittiche zu nehmen: Adonis Creed, der seinem Vater in vielem gleicht. Auch er erringt den Weltmeistertitel. Auch er lässt sich auf einen Kampf mit einem Drago ein. Mit Viktor Drago (Florian Munteanu), dem hünenhaften Sohn von Ivan Drago.
Creed Junior versus Drago Junior – das klingt nach einer Fortführung von «Rocky 4». Stallones 80er-Jahre-Hit ist allerdings denkbar schlecht gealtert. Dieser lässt sich nur noch mit viel ironischer Distanz geniessen. Haarsträubend, wie unverblümt sich Rocky für den ideologischen Kampf gegen die Sowjetunion einspannen liess.
Sogar Drago-Darsteller Dolph Lundgren findet «Rocky 4» rückblickend platte Propaganda. Dass Hollywood ausgerechnet diese eher schwachbrüstige Geschichte fortführt, lässt sich dennoch leicht begründen: «Rocky 4» ist bis heute der ertragreichste Film der ganzen Serie. Über 300 Mio. Dollar spielte der antikommunistische Kassenschlager Mitte der 80er ein.
Mehr Zurückhaltung, mehr Klasse
Obwohl «Creed 2» inhaltlich an «Rocky 4» anknüpft, ist die Tonalität eine ganz andere. Vom Gut-Böse-Schema des Ost-West-Konflikts sind nur noch schwache Echos zu vernehmen. Story und Charaktere kommen besser ausbalanciert daher. Sogar die alte Feindschaft zwischen Rocky und Drago wirkt deutlich moderater.
Zu richtigen Handgreiflichkeiten zwischen den beiden Oldies kommt es im neuen Film jedenfalls nicht. Eine solche Szene wurde für «Creed 2» zwar aufgenommen, im Schnitt dann aber für zu plakativ befunden und verworfen.
Eine gute Entscheidung von Regisseur Steven Caple Junior. So bleibt dem stimmigen Boxerdrama mehr Platz für die inneren Kämpfe seines eigentlichen Helden: Adonis Creed.
Rocky bleibt sich treu
Sylvester Stallone könnte sich also unbesorgt zur Ruhe setzen. Die Boxer-Saga würde dank Hauptdarsteller Michael B. Jordan mittlerweile auch ohne Rocky funktionieren. Folgerichtig kursiert derzeit das Gerücht, dass dies Stallones letzter Rocky-Auftritt gewesen sei.
Das muss allerdings nicht stimmen. Schliesslich ist Rocky Sylvester Stallones Alter Ego. Und wenn wir etwas über den unverwüstlichen Kämpfer gelernt haben, dann dies: Er gibt niemals auf. Keine Überraschung also, dass Rocky auch in «Creed 2» nicht das Handtuch wirft.
Kinostart: 24.01.2019