Kochen, Kinder, Chaos, und das jeden Tag. So sieht das Leben der zweifachen Mutter Marlo aus. Als dann noch ein ungeplantes, drittes Kind zur Welt kommt, ist sie komplett überfordert.
Um sie zu entlasten, will ihr Bruder eine Nacht-Nanny anheuern. Die soll aufs Baby aufpassen, damit Marlo auch mal schlafen kann.
Erst ist die Mutter gegen die Idee, eine Fremde im Haus zu haben: «Das klingt nach einem schlechten Film, in dem die Nanny versucht, die Familie zu töten und nur die Mutter überlebt und schwer verletzt aus dem Haus kriecht», sagt Marlo. So erschöpft wie sie ist, entscheidet sie sich für die Hilfe.
Die Kinderbetreuerin namens Tully scheint Marlo anfangs suspekt. Aber bald schon entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine Freundschaft.
Tully zeigt Marlo, dass das Leben – trotz schreiender Kinder und Muttermilch abpumpen – schön sein kann.
Das müdeste Zitat
Während sie nachts das Baby stillt, erzählt Marlo Nacht-Nanny Tully, dass sie einfach zu müde für einfach alles sei. Sie fühle sich, als ob sie ihre Identität verliere und eine schlechte Mutter sei, weil sie nicht auch noch Zeit habe, Cupcakes für die Schule zu backen.
Selbst Alltägliches falle ihr schwer: «Sogar mich anzuziehen scheint extrem anstrengend. Ich öffne den Kleiderschrank und denke: ‹Hab ich das nicht gerade schon getan?›».
Die Autorin
Der Lebenslauf von Diablo Cody, der Drehbuchautorin von «Tully», hört sich an wie ein Hollywood-Film: Sie zieht nach der Universität nach Minneapolis, versucht sich als Stripperin und zeitgleich als Bloggerin.
Über ihre Erfahrungen als Stripperin schreibt sie das Buch «Candy Girl: A Year in the Life of an Unlikely». Das bringt sie in Talkshows.
Kurz darauf verfasst sie ihr erstes Drehbuch. Es ist eine Geschichte über eine Teenagerin, die ungewollt schwanger wird.
Der Film wird unter dem Titel «Juno» tatsächlich gedreht. Er läuft auf Festivals. Diablo Cody gewinnt 2008 einen Golden Globe und einen Oscar.
In einem Interview sagte Diablo Cody einmal, sie würde direkt zurück an die Strip-Stange gehen, falls die Karriere als Autorin nicht funktioniert. Danach sieht es zurzeit nicht aus.
Fakten, die man wissen sollte
Für «Tully» nahm Hauptdarstellerin Charlize Theron, die den Film auch mitproduziert hat, über 20 Kilo zu.
In einem Interview meinte sie, dass sie deshalb zum ersten Mal in ihrem Leben Depression gehabt hätte. Anderthalb Jahre habe sie gebraucht, die überschüssigen Pfunde wieder abzutrainieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass Charlize Theron für eine Filmrolle zugenommen hat. 2003 hatte sie für ihre Rolle als Mörderin im Drama «Monster» rund 13 Kilo zugelegt. Dieser Part brachte Theron ihren bis heute einzigen Oscar und einen Golden Globe ein.
Das Urteil
«Tully» ist ein ruhiger, aber keinesfalls langweiliger Film. Ungeschminkt werden die weniger schönen Seiten der Mutterschaft gezeigt.
Selten hat man das so drastisch im Kino gesehen: Kinder grossziehen ist ein Knochenjob. Und Charlize Theron als überforderte Dreifachmama ist grossartig.
«Tully» besitzt eine gute Ambivalenz. Der Film macht aus der Mutterschaft nicht den schlimmsten Albtraum seit Freddy Krueger, aber auch nicht den kitschigsten Event seit «Twilight». Er kommt zu dem etwas biederen Schluss: Auch wenn der 24/7-Mutter-Job superschwierig ist, hat man sich damit doch vielleicht seinen grössten Wunsch erfüllt?
Kinostart: 31.05.2018