Über ein Jahr haben die Österreicher Daniel Hoesl und Julia Nieman in Davos gelebt und gefilmt. Angezogen hat sie die Faszination für das Globalspektakel des World Economic Forum, des «WEF».
Ihr Produktionskollektiv nennt sich «European Film Conspiracy», und das Bild, welches sie von Davos zeichnen, lebt vom Kontrast zwischen dem lokalen Leben in der kleinen Stadt und dem globalen Image des alljährlichen Weltwirtschaftsforums.
Zwischen Wildheuen und Cüpli
Konsequenterweise beginnt der Dokumentarfilm denn auch mit einem Fernsehteam, das in den Strassen einen Vorabkommentar dreht.
Aber gesucht und gefilmt haben Hoesl und Nieman den Davoser Alltag, die nächtliche Geburt eines Kalbes, den familiären Besuch der lokalen Viehschau. Wir hören den Begutachter über Lautsprecher von der stabilen Aufhängung im Vor-Euter-Bereich einer Kuh schwärmen und sehen der Bauernfamilie dabei zu, wie sie sich mit Selfies amüsieren.
Hoesl und Nieman gehen zum Fischen mit portugiesischen Gastarbeitern. Sie sind beim anschliessenden Grillfest in einer Garage dabei, wo einer von ihnen betont, die Forellen habe er aus dem Bach gezogen, nicht aus dem See.
Die aus dem See würde er nie essen, nicht mal gegen Bezahlung. Denn in den See liefen schliesslich auch die Abwässer und die Exkremente all der Millionäre von Davos. Und Forellen frässen bekanntlich alles.
Ein Film über Gleichgewichte und Gegensätze
Dieses Bild von den Abwässern jener, welche die Geschicke der Welt dirigieren und sich einmal jährlich in Davos zum Austausch treffen, ist nur eines von vielen, welche dieser Dokumentarfilm unkommentiert in den Raum stellt.
Gleich neben Hinweisen darauf, wie sehr die Gemeinde Davos auch vom WEF profitiert, vorgetragen vom Gemeinderat, im Hinblick auf die nächste Abstimmung zum Durchführungskonzept der Gemeinde.
Klar gibt es auch Bilder von den alljährlichen Protesten gegen das WEF, von debattierenden WEF-Gegnern, und gar von einem grossartigen Nacktauftritt einer gealterten Punk-Band.
Aber das Bild, welches der Dokumentarfilm «Davos» allmählich zeichnet, ist eher eines von uns allen. Die Bauernfamilie in Davos, die Barbetreiber, die Hotelangestellten: Über ihr und unser aller Schicksal wird am WEF geredet und verhandelt.
Und der lokale Punk mit seinen wütenden Protesten kann schon im Jahr darauf als Hilfs-Security-Mann fürs WEF ein bisschen etwas verdienen.
«Davos» ist kein Protestfilm. Regisseur Hoesl sagt, das WEF sei dem Filmteam gegenüber sehr offen und gastfreundlich aufgetreten. Eine Sequenz mit einem WEF-Workshop «A day in the life of a refugee» zeigt gar, wie sich WEF-Teilnehmende empathisch und aktiv mit Elend und Gewalt auseinandersetzen.
Aber am Ende von «Davos» bleibt die Erkenntnis, dass hier alles zusammenhängt und dass die meisten von uns selber zwischen der Macht der Mächtigen und der Ohnmacht der Ohnmächtigen hin- und herpendeln.
Das ist keine neue Erkenntnis, als Dokumentarfilm ist «Davos» kein Weckruf. Aber eine recht eindringliche und ausführliche Erinnerung.