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Film & Serien «The Shadow Line»: stockfinstere Krimiserie im Miniformat

In vielen TV-Serien herrscht Überbevölkerung: Zu viele Protagonisten, zu viele Handlungsstränge. Wer schnell die Übersicht verliert, greift darum zum Mehrteiler. Das Angebot packender Miniserien war nie besser, wie auch der aktuelle BBC-Mehrteiler «The Shadow Line» zeigt.

Eine gewisse Serienmüdigkeit macht sich breit. Und daran ist «Game of Thrones» zumindest mitschuldig. Den alten und den neuen Göttern sei für dieses Fantasyepos gedankt, aber wer behält in der Serie noch den Überblick? HBO, der bevorzugte Sender der bewaffneten Thronfolger, stützt die Erinnerung der «Game of Thrones»-Fans zwar mittels einer Landkarte im Vorspann der Folgen und bietet online Nachhilfe an. Doch sind die Myriaden von Figuren und ihre Schicksale so erratisch über die ganze Geographie ausgebreitet, dass man dennoch ins Grübeln kommt: Wer waren schon wieder Edmore Tully und Craster?

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«The Shadow Line» Folge 1: Wer tötete Harvey Wratten? SRF 1, 5. Juli, 00:20 Uhr.

Immer mehr Figuren

Es liegt in der Natur der Sache: So kompakt wie ein Spielfilm kann eine Serie nicht sein. Aber geht es wirklich nicht ohne Enzyklopädie? Eigentlich schon, wie sich an «Breaking Bad» sehen lässt. Die Hauptfiguren lassen sich an zwei Händen abzählen, und sie haben auch nach 5 Staffeln nicht an Reiz eingebüsst. Damit ist diese Serienperle jedoch eine Ausnahme. Dem Lockruf neuer, die Handlung streckender Figuren sind etliche Autoren von Produktionen mit ausgeprägtem Fortsetzungscharakter wie «Lost» und «Heroes» erlegen.

Blütezeit für den Mehrteiler

Wer den langen Atem einer Serie nicht missen, dafür aber nicht Stammbäume ausreissen will, entscheide sich für den goldenen Mittelweg: den Mehrteiler – eine Miniserie mit abgeschlossener Handlung, die in meist maximal 10 Folgen erzählt wird. Für ihn ist momentan eine wahre Blütezeit angebrochen. Alle paar Wochen treffen bemerkenswerte Miniserien ein, aus Grossbritannien «The Hour» und «The Take», Frankreich glänzt mit «Les Revenants», aus Australien kommt die Bestsellerverfilmung «The Slap» und die neuseeländische «The Piano»-Regisseurin Jane Campion tobt sich sieben aussergewöhnliche Folgen lang mit «Top of the Lake» aus.

Einer der lohnendsten Mehrteiler dieser Tage ist «The Shadow Line», ein stockfinsterer Krimi um Drogenhandel, Verrat und Korruption, den der vornehmlich in Komödien bewanderte Fernsehregisseur Hugo Blick für die BBC produzierte. Nicht gerade realistisch, eher hochtrabend als anspruchsvoll, aber durchwegs aufregend. Der Mehrteiler erzählt – wie so viele andere – von den Ermittlungen in einem Mordfall. Aber von der Tat, über den Ermittler bis ins Detail wirkt alles reichlich seltsam. Durch die von der ersten Szene an expressionistische Inszenierung wirkt «The Shadow Line» ein bisschen wie ein Fiebertraum eines Tatortfotografen.

Von Blumenhändlern und Gentleman-Killern

Auch Anzahl der Protagonisten ist in «The Shadow Line» zu verkraften. Alle haben sie mehr zu verbergen, als in Spielfilmlänge zu lüften möglich wäre. Das Mordopfer ist ein Schwerverbrecher, sein Todesurteil ausgerechnet eine Begnadigung durchs Königshaus. Um die Herrschaft des Verbrechens balgen sich ein braver Blumenhändler und ein rachsüchtiger Psychopath. Der Cop ermittelt mit einer Kugel im Kopf, die ihm jederzeit den Garaus machen könnte und bereits die Erinnerungen an eigene Missetaten ausgelöscht hat.

Sein Vorgesetzter ist so verdächtig, wie es sich fürs Genre gehört, und die feurige Kollegin hört auf den «bondesken» Namen «Lia Honey». Und dann wäre da noch eine wahre StiIikone von einer Schurkenfigur: Gatehouse, ein freundlicher, älterer Herr im Anzug, stets sanftmütig, korrekt und tödlich, über den man sich erzählt, dass er einen finde, wenn man ihn suche. Für dieses Sammelsurium schillernder Figuren fand Hugo Blick in Chiwetel Ejiofor, Christopher Eccleston, Kierston Wareing, Rafe Spall und Stephen Rea erst noch erstklassige Darsteller.

Zugegeben, ein Moment der Verwirrung ist auch bei diesem sehenswerten Mehrteiler nicht ausgeblieben. Dieser war allerdings weder dem Format noch der Erzählweise geschuldet, sondern dem Auftritt zweier Schauspieler, die auch in «Game of Thrones» prominent vertreten sind: die Darsteller von Edmure Tully und Craster. Wenn man jetzt bloss noch wüsste, wer die beiden sind.

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