Über hundert Schweizerinnen und Schweizer konvertieren jährlich zum Islam. Im Dokumentarfilm «Shalom Allah» stellt Regisseur David Vogel vier von ihnen vor.
Der Film zeigt: Die Entscheidung, das muslimische Glaubensbekenntnis abzulegen, sorgt bei Mitmenschen oft für Unverständnis. Denn das negative Bild von Muslimen hält sich hartnäckig – warum also konvertieren hierzulande trotzdem so viele zu ihrer Religion?
SRF: Welche Vorbehalte hatten Sie selbst zu Beginn der Dreharbeiten?
David Vogel: Dass Konvertitinnen und Konvertiten im Umgang mit ihrer Religion sehr streng sind und sie eins zu eins umsetzen wollen. Dieses Vorurteil habe ich zum Teil auch bestätigt bekommen.
In einem gewissen Sinn bin auch ich konvertiert – vom Judentum zum Atheismus. Und einen Hang zum Dogmatismus habe ich auch bei mir beobachtet. Aber das pendelt sich meist ein. Der Umgang mit der eigenen Religion wird lockerer.
Für die Tochter war der Wechsel vom Christentum zum Islam keine grosse Sache
War es schwierig, Protagonistinnen und Protagonisten zu finden?
Sehr. Ich habe gespürt, wie stark die Musliminnen und Muslime unter dem Gefühl leiden, gesellschaftlich abgelehnt zu werden.
Die meisten haben nicht unterschieden zwischen mir als Filmemacher und den schlechten Erfahrungen, die sie teilweise mit den Medien gemacht haben.
Es gibt im Film Momente, die ein mulmiges Gefühl auslösen. Etwa, als die Tochter eines konvertierten Paares ebenfalls zum Islam konvertiert. Wie ging es Ihnen in dieser Situation?
Mir stockte der Atem, wir waren auf diese Nervosität und Anspannung nicht vorbereitet. Sie liess diese Konversion sprachlos über sich ergehen. Sie glaubte immer an Gott, und für sie war der Wechsel vom Christentum zum Islam keine grosse Sache.
Inzwischen ist sie älter und keine religiöse Muslima mehr. Für mich eine Bestätigung: Religiosität ist dynamisch. Sie kann sich verändern und tut dies auch – in jeder Religion.
Sie haben Ihren Wandel vom gläubigen Juden zum Atheisten im Film thematisiert. Ist Ihnen das leicht gefallen?
Nein. Aber mir wurde klar, dass ich zeigen muss, weshalb mich die Frage nach der Konversion so interessiert. Weshalb ich mich mit diesen Menschen, die konvertiert haben, so solidarisiere.
Derart Stellung zu beziehen fiel mir enorm schwer. Im Film sage ich: «Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.» Dazu zu stehen hat viel Zeit gebraucht.
Was soll der Film «Shalom Allah» beim Publikum auslösen?
Ich habe eine ganz einfache Botschaft: Es ist nicht alles schwarz oder weiss. Grau ist unglaublich unsexy, aber das Leben zeigt sich nun mal in Graustufen.
Wir sollten genau hinschauen. Gerade bei Musliminnen und Muslimen, die konvertiert haben, hoffe ich, dass sie zu Brückenbauern werden können, wenn wir sie nicht zu sehr in die radikale Ecke drängen.
Das Gespräch führte Nicole Freudiger.
Kinostart: 13.8.2020