Zum Inhalt springen

Zukunft von Filmfestivals «Online-Festivals sind Bullshit!»

Die Filmwelt ist im Umbruch. Was kommt? Was ist passé? Was bleibt? Wir orakeln mit Festival-Fachleuten über die Zukunft.

Was tun, wenn nichts mehr geht? Wenn Festivals nicht mehr stattfinden dürfen? Sich Film-Fans und Filmschaffende nicht mehr treffen können? Der Austausch zwischen Filmemacherinnen und -Machern wegfällt?

Neue Konzepte fürs Netz sind gefragt

Viele Festivals wurden aufgrund der Pandemie verschoben, abgesagt oder fanden online statt.

«Online-Festivals sind Bullshit», sagt Produzent Thierry Spicher. Oft fänden sie nur aus finanziellen Gründen statt. Um ein Defizit zu verhindern. Viel zu viel Aufwand für ein bisschen Presse.

Ein Mann mit Glatze und T-Shirt in einer Interview-Situation.
Legende: Lancierte während der Pandemie ein erfolgreiches Format: Produzent Thierry Spicher. SRF

«Natürlich kann man Festivals auch online betreiben», sagt Spicher. «Aber dann braucht man ein neues Konzept und andere, eigene Ziele.»

«Eine Plattform so stark wie Netflix»

An einem solchen neuen Konzept arbeitet Nicolas Wadimoff. Der Regisseur und Leiter des Studiengangs Film an der Kunsthochschule Genf ist bereits mit Vertretern aus der Branche im Gespräch.

«Ich möchte eine digitale Plattform schaffen, die so stark ist wie Netflix», sagt er. Den Verlgeich zum Streaming-Giganten mit seinen erfolgreichen Filmen und Serien zieht Wadimoff ganz bewusst.

Kooperation als Chance

Kleinere Filme und Arthouse-Produktionen haben es in der aktuellen Lage schwer. Sie werden auf den erfolgreichen Mainstream-Portalen kaum gezeigt, sind auf Festivals und kleinere Kinos angewiesen.

Ein Mann in einer Interview-Situation.
Legende: Will die Festivals auf einer Plattform verbinden: Filmemacher Nicolas Wadimoff. SRF

Wadimoffs Traum-Plattform kann man sich als Gemeinschaftswerk verschiedener Festivals vorstellen. Im Idealszenario des Genfer Filmemachers wäre jedes Festival jeweils eine Woche lang für das Programm verantwortlich.

«Es ist effizienter, einen starken Ort zu haben, als dass jedes Festival sein eigenes Ding macht», glaubt Wadimoff. Er stellt sich vor, dass auch Diskussionen und Gesprächsrunden im Netz stattfinden könnten.

«Eine Chance für die jüngere Generation»

Das sei vor allem für die jüngere Generation eine Chance, sagt Regisseurin Andrea Staka. Festivals sind für Filmschaffende wichtig, um Projekte zu diskutieren, Kontakte zu knüpfen und Deals abzuschliessen.

Eine Frau mit kurzen Haaren schaut zur Seite, im Hintergrund ein Filmplakat.
Legende: Möchte die Disruption durch Corona kreativ nutzen: Regisseurin Andrea Staka. SRF

«Junge Menschen sind gewohnter, sich online zu bewegen», sagt die Regisseurin. «Sie sind schneller darin, sich an diese Art der Kommunikation zu gewöhnen. Deshalb könnten ihre Stimmen in Zukunft ein bisschen mehr Gewicht bekommen.»

«Festivals bleiben ein Ort der Begegnung»

Lili Hinstin, künstlerische Leiterin von Locarno, setzt dieses Jahr auf eine Hybridform mit Online-Veranstaltungen und Kino-Vorführungen. In viel kleinerem Rahmen als gewont.

Eine Frau mit kurzen Haaren und einem Haarband lächelt in die Kamera.
Legende: Hat ihr Lächeln nicht verloren: Locarnos künstlerische Leiterin Lili Hinstin. SRF

Wie das Festival in den nächsten Jahren aussehen wird, weiss sie noch nicht. Doch sie ist sich sicher: «Festivals wird es weiterhin geben. Und sie bleiben ein wichtiger Ort der Begegnung. In welcher Form auch immer.»

Sendung: SRF 1, Locarno Filmfestival 2020 - Das Spezial, 12.08.2020, 22:25 Uhr

Meistgelesene Artikel