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Gesellschaft & Religion Abseits der «Wattegesellschaft»: Berner Arzt im Hilfseinsatz

Der Berner Tropenarzt Martin Weber leitet immer wieder Einsätze für Hilfswerke in Katastrophengebieten. Er ist getrieben vom Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen, und seiner Lust auf Abenteuer. Auch heute noch – mit 68 Jahren.

Mit einem Wildbach vergleicht Martin Weber sein Leben – voller Felsstürze, Strudel und zwischendurch ruhigeren Strecken. Doch eben: meist wild und ungestüm. Wenn man dem 68-Jährigen gegenüber sitzt, ist diese vitale Kraft deutlich zu spüren.

Bereits in jungen Jahren war Martin Weber fasziniert von fernen Weltgegenden. Durch seinen Onkel, der Priester war, hörte er das erste Mal von Afrika. Tief beeindruckt wollte er als Zwölfjähriger Missionar werden, um dorthin zu reisen. Später beschloss er, beeinflusst von der US-Fernsehserie «Daktari», Veterinär in Afrika zu werden – wie die Hauptfigur. Doch es kam anders.

Doch nicht «Daktari»

Die Liebe zu Afrika blieb, aber seine Berufung musste der Berner erst noch entdecken. Nach dem Gymnasium und ersten Studienjahren reiste er mit einem Freund nach Indien, nach Kalkutta. Als er die dortigen Zustände sah, verspürte er den dringenden Wunsch zu helfen.

Weber behandelt ein Mädchen.
Legende: Seine Auslandseinsätze seien eine Mischung aus Abenteuer und Begegnung mit Menschen. Augusta Theler

Das war Martin Webers Schlüsselerlebnis: Angesichts seiner Hilflosigkeit begriff er, dass er als Arzt über die nötigen Kompetenzen verfügen würde. Also studierte er Medizin – in Bern, Paris und London.

Weber spezialisierte sich in möglichst vielen Teilgebieten wie Innere Medizin, Gynäkologie, Urologie, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Und, natürlich: in Tropenmedizin. So gerüstet, konnte das Abenteuer beginnen. «Ich gebe zu, es war nicht nur der Wunsch zu helfen, der mich antrieb und immer noch antreibt», sagt Martin Weber, «sondern auch Abenteuerlust.»

Einsätze eines Getriebenen

Mit einem Freund eröffnete er in Bern eine Praxis als Hausarzt, die er immer wieder verliess. Als Arzt des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) leistete er Einsätze in der «Emergency Respond Unit». So leitete er zum Beispiel 2010 das Notfall-Team des SRK nach dem Erdbeben in Port au Prince in Haiti.

Martin weber mit drei Frauen vor einem weissen Zelt.
Legende: Als beratender Artzt hat er bis heute 70 Einsätze für den SRK geleistet. Augusta Theler

«Ich war der Poster Boy des SRK», sagt Martin Weber lakonisch. Ein Vorzeigedoktor. Als beratender Arzt des SRK hat er bis heute über 70 Einsätze in Osteuropa, Asien und Afrika geleistet. Er sei eine Getriebener, meint er. Nirgends könne er bleiben.

Das bequeme Leben hinterfragen

Die Auslandeinsätze bedeuten für ihn einen Mix aus Abenteuer und Begegnung mit Menschen und ihren fremden Welten. Das vermittle ihm einen «positive shock». Es rüttle ihn wach, um sein bequemes Leben in der «Wattegesellschaft», wie er sagt, zu hinterfragen.

Martin Webers Leben erfuhr eine jähe Zäsur, als seine Frau, mit der er zwei Kinder hat, in den 1990er-Jahren nach einer schweren Krankheit starb. Da zog er sich zurück, nahm sich ein Jahr Zeit, um zu trauern. Dann rappelte er sich wieder hoch.

2003 – er war unterdessen 55 – beschloss er, nur noch das zu machen, was ihm am Herzen liegt: seine Projekte und die Arbeit in Katastrophengebieten. Er gab seine Hausarztpraxis auf. Da er für seine Projektarbeit jedoch Geld brauchte, besann er sich auf seine Spezialisierung in Tropenmedizin.

Martin Weber
Legende: Martin Weber zieht es immer wieder in die Ferne. SRF/Noëmi Gradwohl

Impfen und reisen

«Gelbfieber darf in der Schweiz nur ein Tropenarzt impfen», erklärt er. Seither arbeitet er einen Tag in der Woche als Tropenarzt in einer Praxis in Bern. An den anderen Tagen bereist er die Welt.

Er widmet sich seinen Projekten, unterstützt Extremsportler aus Afrika oder hilft einer Gruppe von Fahrradkurieren in Budapest, die in ihrer Freizeit Essen an Obdachlose verteilen. Wenn er sich erholen will, dann geht er ins beschauliche Wallis, wo seine neue Lebenspartnerin herkommt. Denn auch Getriebene brauchen zwischendurch Ruhe.

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