Das Wichtigste in Kürze
- In Athen haben Aktivisten ein leerstehendes Hotel besetzt und geben Flüchtlingen Unterkunft.
- Finanziert wird das Flüchtlingshotel durch private Spenden; den Betrieb halten die Flüchtlinge selbst und ehrenamtliche Mitarbeiter am Laufen.
- Doch die Besetzung war illegal – die Angst, dass die Behörden das Hotel schliessen, bleibt.
Liebevoll flüstert Hakima ihrer Tochter Narin ins Ohr. Die Kleine ist gerade vier Monate alt geworden und schaut ihre Mutter mit grossen Augen an. Um sie herum tobt die zweijährige Narwan, Hakimas älteste Tochter.
Viel Platz zum Toben gibt es nicht. Das Zimmer in der zweiten Etage des City Plaza ist klein: ein Doppelbett, ein Kühlschrank, ein kleiner Tisch, dafür aber jede Menge Plüschtiere auf dem Balkon.
«Wir fühlen uns hier sicher»
So wohl habe sie sich seit Langem nicht mehr gefühlt, sagt die 24-jährige Afghanin: «Ich habe hier endlich das Gefühl, ein Zuhause gefunden zu haben. Es ist so, als wäre ich bei meiner Familie. Wir schlafen ruhig, wir wachen in Ruhe auf, wir fühlen uns hier sicher.»
Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Hakima ist schon seit zwei Jahren in Griechenland. Vor dem City Plaza lebte sie in einem Flüchtlingscamp 350 Kilometer von Athen entfernt.
Nicht genug Trinkwasser
Die Umstände dort seien schrecklich gewesen, sagt sie: «Wir waren so viele Menschen in Zelten zusammengepfercht, ohne jede Privatsphäre. Wenn es regnete, regnete es in unser Zelt rein. Es gab nicht genug Trinkwasser, es war sehr schlimm.»
Das habe sie psychisch so sehr belastet, dass sie depressiv geworden sei, sagt Hakima. Erst seitdem sie im City Plaza wohnt, gehe es ihr auch gesundheitlich besser.
Hotel statt Camp
Möglich gemacht hat das eine linke Aktivistengruppe mit dem sperrigen Namen «Solidaritätsinitiative für Wirtschaftsflüchtlinge und politische Flüchtlinge». Sie besetzte das leerstehende Gebäude und machte daraus eine etwas andere Flüchtlingsunterkunft.
Zu den Aktivisten gehört der 34-jährige Nikos Vasilopoulos. Er erinnert sich: «Dieses Gebäude stand sechseinhalb Jahre lang leer. Wir mussten nur kleine Reparaturen machen, zerbrochene Fenster austauschen und Steckdosen reparieren. Alles andere war schon da, die Betten, sogar die Bettwäsche. Wir sind also rein und haben angefangen, die Etagen sauber zu machen, damit die ersten Flüchtlinge einziehen konnten.»
Alle helfen mit
Heute kann man sich das City Plaza ohne seine 380 Bewohner kaum mehr vorstellen: Jugendliche sitzen auf dem Boden und hören Musik mit ihren Smartphones, ein Familienvater schleppt einen Kinderwagen die Treppen hoch, Kinder rennen umher.
Alle Ausgaben würden durch Spenden finanziert, vor allem durch Crowdfunding, sagt Vasilopoulos. Anders als im Camp packen die Bewohner hier mit an, arbeiten zum Beispiel zusammen mit den Aktivisten in der Küche und haben Reinigungsschichten.
Das stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen hier noch mehr, sagt der 24-jährige Hamed. Im Camp von Skaramangas, in dem er vorher war, habe es ständig Kämpfe zwischen Afghanen und Arabern gegeben, sagt er. Hier habe er hingegen das Gefühl, er sitze mit allen anderen Flüchtlingen im selben Boot.
Ungewisse Zukunft
Doch wie lange es die Flüchtlingsunterkunft noch geben wird, ist ungewiss, sagt Aktivist Nikos Vasilopoulos. Denn die Besetzung ist illegal – und der Regierung ein Dorn im Auge, sagt er: «Die Regierung setzt immer noch auf die Camps als beste Lösung. Gerade weil das City Plaza zeigt, dass es auch anders geht, befürchte ich, dass die Regierung hier früher oder später eingreifen wird.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 12.9.2017, 9.03 Uhr