Die Bauwirtschaft ist nicht nur Haupttreiber beim Materialverbrauch. Sie produziert auch enorme Bauschuttberge. 40 Prozent des weltweit anfallenden Mülls stammt aus der Bauwirtschaft.
Wenn Daniel Stockhammer, Assistenzprofessor an der Universität Liechtenstein, daran denkt, dass sich der Baubestand bis 2050 weltweit verdoppeln wird, verdüstert sich sein Gesicht.
«Man muss kein Ideologe sein, um festzustellen, dass wir auch im Bauen zirkulär werden müssen», sagt Stockhammer. Und präzisiert: «Ein Gebäude darf in Zukunft nicht mehr Alltagsgegenstand sein, den man nach 30 oder 40 Jahren wegwirft.»
Ein Gebäude vom Ende her denken
Für Stockhammer müsste jedes Gebäude idealerweise ein Materiallager sein. Wenn das Haus obsolet werden sollte, dienen die Fenster, Stahlträger, Fassadenteile, Isolationsmaterialien oder Ziegelwände als Baumaterial für neue Bauten.
«Ein Neubau muss immer vom Ende her gedacht werden», erklärt Daniel Stockhammer, «das heisst vom Abfall.» Je weniger Abfall und je mehr wiederverwertbares Material, desto besser.
Gewerbegebäude aus geretteten Bauteilen
Der chinesische Architekt und Pritzker-Preisträger Wang Shu hat vorgemacht, wie das geht: In Hangzhou hat er die Hochschule der Künste aus Baumaterial von zerstörten Häusern gebaut.
In Winterthur baut die Basler Architektin Barbara Buser zurzeit ein Gewerbe- und Ateliergebäude mit alten Bauteilen, die sie in Basel, Zürich und Uster gerettet hat.
Busers Rechnung zeigt, dass sie mit der Wiederverwendung von Bauteilen im Vergleich zur Standardbauweise mit Betonwänden und Wärmedämmverbundsystemen rund 80 Prozent der grauen Energie einspart.
Ressourcenschonendes Bauprinzip
Stockhammer und sein Autorenteam plädieren im Buch «Upcycling» für die Wiederverwendung von Baumaterialien und Bauteilen und demonstrieren das Potenzial anhand von Beispielen.
Sie weisen darauf hin, dass dieses ressourcenschonende Bauprinzip bereits in der Antike gang und gäbe war. Später, im frühchristlichen Kirchenbau, bestimmte die Grösse der absichtlich wiederverwendeten Bauteile sogar den Entwurf der Pläne.
Mit diesem Rückblick wird auch deutlich, dass damit nicht nur Material weiter- und wiederverwendet wurde, sondern dass ebenso die Weitergabe von handwerklichem und stilistischem Wissen garantiert war.
«Die Beschäftigung mit dem Bestand – dazu zählen Gebäude wie Gebäudeteile – ist kein nostalgischer Blick zurück, sondern der Weg zu neuen Ideen und Entwurfsansätzen», schreibt Daniel Stockhammer.
Buchumschlag aus alten Büchern und Bettlaken
Während sich das Autorenteam um die lesenswerten Inhalte gekümmert hat, hat die Buchgestalterin Annett Höland einen passenden Buchumschlag erfunden.
Sie hat die Autorinnen und Autoren die Bücherregale entrümpelt lassen. Aus den nicht mehr gebrauchten Büchern und den Bauwollfasern alter Leintücher wurde ein handgeschöpftes Papier, das angenehm in der Hand liegt.