Das Modell für die Lounge des Flughafens Charles-de-Gaulle in Paris sieht aus wie eine lässige Mixtur aus Wohnzimmer und Raumschiff im Puppenstubenformat. Darüber schweben Andy Warhols «Silver Clouds»: silberne, mit Helium gefüllte Luftballons in Kissenform.
In der Polyethylen-Haut der Silver Clouds spiegelt sich die Umgebung: der Saal, die Besucherinnen und Besucher, die Filme, die als Projektionen auf den Wänden flimmern.
Eine gelungene Party
Die Ausstellung «Imagine 68. Das Spektakel der Revolution», die Juri Steiner und Stefan Zweifel für das Landesmuseum Zürich kuratiert haben, ist dicht, prall und stimmungsvoll. In ihren besten Moment wirkt sie wie eine gelungene 1960er-Jahre Party.
Nur eines irritiert: Warum feiern die Kuratoren diese Party erst jetzt? In vielen anderen Museen, Buchhandlungen und Kulturräumen ist die grosse 50-Jahr-Feier der Revolte von 1968 längst vorbei.
Mit der Fantasie des Publikums spielen
«Wir dachten, es sei eine gute Möglichkeit, eine Ausstellung machen zu können, in der man nicht alle historischen Ereignisse noch einmal aufarbeiten muss», erklärt Stefan Zweifel.
Er und Juri Steiner hoffen auf ein Publikum, das gewisse Vorkenntnisse mitbringt, «sodass wir mit dem Wissen und der Fantasie der Besucherinnen und Besucher spielen können.»
Bunte Hilfe für die Fantasie
Das klingt verheissungsvoll. Und es passt zum Titel: «Imagine 68». Ein Titel mit aufforderndem Charakter. Jeder darf sich sein eigenes 1968 ausmalen.
Steiner und Zweifel liefern Imaginationshilfen in den herrlichsten Farben: Kunstwerke von Franz Gertsch und Joseph Beuys, Niki de Saint-Phalle und Tinguely, aber auch Design-Entwürfe, Filme, Bücher, Mode.
Zum Beispiel das berühmte Kleid aus Aluminium-Platten, das Paco Rabanne in den 1960er-Jahren entworfen hat.
Vietnam und Globus-Krawalle
Dieser spielerische, bunte Zugang zu 1968 ist verführerisch und gelungen. Doch natürlich gehören zu 1968 auch Politik und Gesellschaftskritik.
Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit dieser ernsthaften Seite von 1968. Mit dem Vietnam-Krieg, dem Ost-West-Konflikt, den Studentenrevolten und mit den Globus-Krawallen in Zürich und den zahlreichen Prozessen, die im Nachgang gegen die rebellischen jungen Schweizerinnen und Schweizer geführt wurden.
Prozessakten der Krawalle
Steiner und Zweifel haben für die Ausstellung auf Prozessakten zugreifen können, die bislang nicht zugänglich waren. In klassischen Tischvitrinen haben die Kuratoren die Akten ausgebreitet.
Dieser Einstieg erweckt den Eindruck, als ob Juri Steiner und Stefan Zweifel der Idee vom freien Spiel mit der Fantasie des Publikums doch nicht so ganz getraut hätten. Sehenswert aber ist die Zürcher 1968-Schau allemal.