«Sie hören ‹Worte des Lebens› – eine Stimme des Friedens und des Trosts in einer unruhigen Welt.» Mit diesem Slogan begrüsste Samuel Gerber die Zuhörenden bis 1992 Woche für Woche zu seiner Radiosendung.
Der Schweizer Theologe und Mennonit hatte eine Mission: Er wollte deutschsprachige Christen jenseits des Eisernen Vorhangs mit biblischer Lehre stärken – mit einem Missionsradio vom Bienenberg bei Liestal (BL).
Das Baselbiet in aller Welt
Die Hörerinnen sassen aber nicht nur in der DDR vor ihren Radios, sondern zerstreut in aller Welt: in Dresden und Budapest, in Estland und Kasachstan. Sogar in Uruguay und Paraguay gab es treue Ohren.
Wie viele Tausende, womöglich Hunderttausende es waren, lässt sich nicht beziffern. Sie alle hörten eine biblisch fundierter Ansprache. Eingerahmt war diese Botschaft von einer freundlichen Moderation und christlichen Liedern.
Selbige sangen Nordwestschweizer Laien eigens für diese Sendung ein. So gingen auch die Lieder des mennonitische Gemeindechors «Schänzli» aus Muttenz um die Welt.
Die christliche Viertelstundensendung aus Liestal legte via Kurzwellensender von Radio Luxemburg tausende Kilometer zurück.
Spendengelder und Gratisarbeit
Für den Sendeplatz musste die Mennonitische Radiomission schliesslich über 100'000 Franken an RTL zahlen. Das war in den 80er Jahren enorm viel Geld. Brüder und Schwestern in der Schweiz und Deutschland spendeten es treu.
Ihre Arbeit am Missionsradio leisteten die Mennoniten grösstenteils ehrenamtlich. Einen «Moonlight-Job» nennt Christian Gerber, der spätere Leiter, die radiomissionarische Arbeit rückblickend. Sein Vater und er sassen oft bis in den Nachtstunden dran.
Trost für Menschen im Kommunismus
Ermutigt wurden die Radiomacher durch anrührende Zuschriften aus Kasachstan, Ungarn, dem Baltikum und vor allem aus der DDR. Trotz Zensur und Gefährdung durch die Geheimdienste hatte das Radio ein christliches Freundschaftsnetz geknüpft.
«Ihre Sendung gibt uns im Osten das Gefühl, nicht vergessen zu sein», schrieb eine Hörerin damals. Ziel der Sendung «Worte des Lebens» war es, die Menschen im Ostblock mit biblischer Lehre zu stärken.
Die Stasi umgehen
Die Arbeit war vordergründig unpolitisch. Aber allen war klar: Wer diese Sendung aus der Schweiz hört oder die Abschriften der Radiobotschaften las und weitergab, machte sich in der DDR suspekt bis strafbar.
Die einzige vollamtliche Mitarbeiterin, Regina Werner, druckte wöchentlich tausende Freundesbriefe, Bibelkurse und Radiobotschaften ab.
Diese tarnten die Mennoniten als private Briefpost in die DDR. Hunderte Freiwillige adressierten Couverts mit der Hand und gaben sich selbst als Absenderinnen mit Schweizer Wohnadresse an. So hoffte man, keinen Verdacht bei Stasi oder KGB zu wecken.
Mauerfall als Zeichen des Glaubens
Und dann fiel die Mauer. 1989 war Christian Gerber überzeugt, dass die Mauer durch jahrzehntelange Gebete zum Einsturz gebracht worden sei.
Zu Weihnachten schrieb er an die Spenderinnen und Spender: «Mauern sind gefallen – Mauern werden weiter fallen, wenn Menschen im Glauben unterwegs sind.»
Nach 33 Jahren auf Sendung wurden zu Silvester 1992 die letzten «Worte des Lebens» ausgestrahlt.