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Corona und Kommunikation Wie Masken das Miteinander verändern

Menschen mit Masken: Man sieht sie gerade häufig. Was passiert in einer Gesellschaft, wenn Gesichter nicht mehr lesbar und Identitäten nicht mehr feststellbar sind? Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Madeleine Schuppli über das Unbehagen mit der Schutzmaske – und ihre urmenschliche Seite.

Madeleine Schuppli

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Die Kunsthistorikerin und Kuratorin hat sich in ihrer letzten Ausstellung am Aargauer Kunsthaus mit Masken und ihrer Wirkung auseinandergesetzt.

SRF: Menschen mit Masken lösen schnell ein Gefühl von Unbehagen aus. Warum eigentlich?

Madeleine Schuppli: Das Gesicht ist für die Kommunikation zwischen Menschen entscheidend. Wenn die Mimik sich nicht verändert, ist ein echter Dialog nicht mehr möglich. Dieser Bruch in der Kommunikation zwischen Menschen ist es, der eine Verunsicherung auslöst.

Seit wann verbergen sich Menschen oder zeigen ihre Identität nicht?

Interessanterweise ist die Maske so alt wie die Menschheit. Es scheint ein Urtrieb des Menschen zu sein, sich zu verwandeln, in Rollen zu schlüpfen.

Schon aus der Zeit, als Menschen noch in Höhlen und Wäldern gelebt haben, gibt es Wandzeichnungen, auf denen sich Jäger als Tiere maskieren, um sich ihrer Beute einfacher zu nähern.

Das Tragen einer Maske hat immer auch einen Einfluss auf den Maskierten selbst.

Nehmen wir zum Beispiel die Fasnacht. Rührt das Unbehagen nicht auch daher, dass dort die Maske als eine Art Freibrief gilt, sich in ihrem Schutz auszutoben?

Das Tragen einer Maske hat immer auch einen Einfluss auf den Maskierten selbst. Man verhält sich unter Umständen anders im Schutz der Maske. Weil wir nicht mehr erkennbar sind, können wir uns anders verhalten als sonst, wenn wir uns an die gesellschaftlichen Codes anpassen.

Wobei die Maske aber auch signalisiert: Wir sind jetzt in einem anderen Zustand, es ist jetzt Fasnacht.

Wir müssen das heute pragmatisch anschauen.

Es gibt Masken, die die Identität verbergen. Heute erleben wir im öffentlichen Raum vor allem Masken, die andere schützen. Doch wenn wir die Menschen hinter der Maske nicht erkennen, können wir Zweifel an ihrer Identität hegen. Das ist in einem Abhängigkeitsverhältnis wie bei medizinischem Personal doch schwierig.

Diese medizinischen Masken gehören in die Kategorie der Schutzmasken. Das ist keine Maske, die etwas gegen aussen kommunizieren, sondern den Träger und die Trägerin schützen soll.

Wir können tatsächlich die Menschen nicht mehr erkennen, wenn sie Mund und Nase hinter einem weissen Viereck verborgen haben.

Es ist erstaunlich, wie stark das wirkt. Denken Sie nur an die Medienbilder mit dem schwarzen Balken, den man verwendet, um eine Person nicht mehr erkenntlich zu machen.

Wie soll man Maskierten gegenübertreten, ohne ein ungutes Gefühl zu haben?

Wir müssen das heute pragmatisch anschauen, genau wie alle anderen Einschränkungen, mit denen wir aktuell in unserem Alltag konfrontiert sind. Da ist jemand, der sich und mich schützt und so dazu beiträgt, dass das Coronavirus sich möglichst schnell wieder eindämmen lässt.

Das Gespräch führte Noëmi Gradwohl.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 14.4.2020 ; 

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