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Gesellschaft & Religion Der Irak will den Terrorismus mit Theater bekämpfen

Das Nationaltheater in Bagdad hat zu einem ganz besonderen kulturellen Ereignis eingeladen: zum «ersten irakischen Theaterfestival gegen den Terrorismus». Der irakische Schriftsteller und Journalist Najem Wali erklärt, warum er dieser Aktion kritisch gegenübersteht.

Der irakische Kulturminister Faryad Rawanduzi hat ein Theaterfestival gegen den Terror organisiert. Er sagte: «Wie unsere Soldaten den Feind mit Waffen, so werden wir ihn mit Worten bekämpfen.» Kann man im Irak inmitten der Anschläge und dem Terror des IS mit Kultur überhaupt etwas bewegen oder ist das naiv?

Najem Wali: Man kann etwas bewegen, aber nur wenn man Kulturinstitutionen wie das Theater ernsthaft fördert. Theater ist ein Prozess. Um Wirkung zu erzeugen, muss man diesen Prozess unterstützen. Das gelingt nicht mit einer einmaligen Aktion. Ein Propagandafestival, kurzfristig organisiert und mit solchen Worten begleitet – das erinnert mich an die Zeiten Saddam Husseins.

Zur Person

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Legende: © Peter-Andreas Hassiepen

Najem Wali, 1956 im irakischen Basra geboren, flüchtete 1980 nach Deutschland. Heute lebt er als freier Autor und Journalist in Berlin. Er ist Kulturkorrespondent der bedeutendsten arabischen Tageszeitung Al-Hayat und schreibt regelmässig u.a. für die Süddeutsche Zeitung und die NZZ. Beim Hanser Verlag erschien zuletzt sein Roman «Bagdad Marlboro».

Warum sagen Sie «Propagandafestival»?

Weil das Theaterfestival politisch instrumentiert ist. Jahrelang hat man den Theaterinstitutionen im Irak jegliche Unterstützung entzogen. Jetzt auf einmal, weil der IS dasteht, organisiert man ein Festival unter dem Motto «Gegen den Terrorismus».

Wie sind denn die Reaktionen in Bagdad auf den Kulturminister? Gibt es auch positive Stimmen?

Natürlich gibt es einige positive Stimmen, aber im Allgemeinen ist eine Frustration spürbar innerhalb des intellektuellen Iraks. Manche fragen sich: Wozu gibt es überhaupt ein Kulturministerium? Die Funktionäre haben ihre Posten nur gekriegt, weil sie einer Partei angehören, die wiederum an der Regierung beteiligt ist. Die Regierung macht unter sich aus, wer wofür zuständig ist. Das ist das Problem. Das Ministerium ist korrupt. Zwar bekommt es kaum Geld. Dennoch wird auch dieses durch die Korruption verschwinden. Jeder deckt jeden.

Wie frei ist Faryad Rawanduzi in seinem Amt als Kulturminister innerhalb der Regierung im Irak?

Einerseits ist er frei – das Kulturministerium wird nicht so oft kontrolliert wie die anderen Ministerien, weil es vom Staat nur wenig Geld bekommt. Dennoch nehmen ihn zwei Sachen gefangen: Zum einen das kleine Budget, das ihm zur Verfügung steht; zum anderen die Politik der kurdischen Partei, der er angehört. Letztendlich ist er kein freier Minister in einer freien Regierung. Alles was im Irak jetzt funktioniert in Bezug auf Kultur – Theater, Kino, Bücher – ist auf private Initiative hin entstanden.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 24.6.2015, 17.10 Uhr.

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