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Gesellschaft & Religion Düstere Analyse: Wird die Mutterrolle abgeschafft?

Die Mutter werde von allen Seiten bedroht und bevormundet: Diese Befürchtung formulieren die Schriftstellerin Alina Bronsky und die Geburtsbegleiterin Denise Wilk in einem anklagenden Essay. Sie fordern mehr Selbstverständnis für die Mütter. Und mehr Vertrauen in den Instinkt.

Es steht schlecht um die Mutter, ganz schlecht. Von allen Seiten wird sie angefeindet. Wünscht sie sich ein Kind, dann doch wohl nur, weil sie sonst niemanden zum Knuddeln habe. Sei sie schliesslich schwanger, werde ihr Körper zum Fall für die Arztpraxis: Endlose Tests muss sie über sich ergehen lassen.

Das sei erst der Anfang, denn kaum sei das Kind da, gerät die Mutter noch mehr unter Druck. Diese Beobachtungen beschreiben die erfolgreiche Schriftstellerin Alina Bronsky und die Geburtsbegleiterin Denise Wilk. Sie haben jahrzehntelang als Mütter mehrerer Kinder eigene Erfahrungen gemacht.

Langsame Entmündigung der Mutter

Zehn leibliche Kinder nennen die beiden zusammengezählt ihr eigen. Aus dieser autobiografischen Perspektive heraus haben sie ihr Buch geschrieben unter dem Titel «Die Abschaffung der Mutter. Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf».

Meist anekdotisch und basierend auf Fakten, die sie aus Artikeln und anderen Sachbüchern zusammengetragen haben, schreiben und beschreiben sie Missstände. Diese decken sie entlang der Entwicklung der Mutterrolle auf. Das Buch ist thematisch gegliedert: vom Kinderwunsch, über Schwangerschaft und Geburt, die erste Elternzeit, den beruflichen Wiedereistieg bis zur Fremdbetreuung der Kinder.

Die Mutter laufe Gefahr, abgeschafft zu werden – so die düstere Analyse. Das ist natürlich zugespitzt, in der Botschaft aber unmissverständlich. Ein ganzes Heer von Expertinnen, Erzieher, Ärzte und sogar die Väter machten der Mutter ihre Rolle streitig. Wenn eine Mutter erst einen Wickelkurs besuchen, oder lernen müsse, welcher Brei dem Kind bekommt – dann werde die Mutter versteckt entmündigt.

Kinder sitzen an einem runden Tisch und essen.
Legende: Kinderkrippe Fehlanzeige: Die Autorinnen machen sich für die Betreuung zuhause stark. Keystone

Schwere Kost für die Leserin

Man muss mit den Autorinnen nicht überall gleicher Meinung sein, doch solche Vorgänge sind pointiert beobachtet. In manch beschriebenen Situationen kann man durchaus auf gleiche Erfahrungen zurückgreifen. Hier zeigen die Autorinnen tatsächlich ein Sensorium für die wackelige Rolle der Frau als Mutter.

Ansonsten sind die Daueranklagen doch etwas bemühend. Es ist schwere Kost, die einem die Autorinnen zumuten. Überall, um beim Bild zu bleiben, finden sie ein Haar in der Suppe. Hier wünscht man sich, dass die Autorinnen auch Raum für positive Erfahrungen im Muttersein zulassen würden.

Feministinnen als Gegnerinnen der Mütter

In manchen Aussagen laufen die beiden ausserdem Gefahr, als reaktionär zu gelten. Etwa, wenn sie ausführlich beschreiben, dass Kinder zu ihrem eigenen Wohle nicht fremdbetreut werden sollten, sondern zuhause bei ihren Geschwistern. Mit der Mutter als Hausfrau.

Buchhinweis

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Alina Bronsky und Denise Wilk: «Die Abschaffung der Mutter. Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf». DVA, 2016.

Diese Haltung birgt einen gesellschaftspolitischen Sprengsatz. Ausserdem geisseln sie den Feminismus, beschreiben ihn als rückständig, weil er – so die Autorinnen – nur die arbeitende Mutter als ideale Mutter sehe. Feministinnen versuchten damit, den Müttern eine Rolle vorzuschreiben und ihnen ihre Selbstbestimmtheit zu entziehen.

Zündstoff für die Diskussion

Was also bräuchte es, damit die Frauen in ihrer Rolle als Mütter wieder gestärkt würden? Die Autorinnen Alina Bronsky und Denise Wilk fordern ein Umdenken in der Gesellschaft. Konkret heisst das: eine positive Einstellung zu Kindern, offene Türen statt Hürden für Frauen mit Kinderwunsch, und Kinder-Haben als Normalfall und nicht als Ausnahmezustand.

Auch die Mütter nehmen sie in die Pflicht: Sie sollen wieder vermehrt auf ihren Instinkt vertrauen. Niemand könne besser wissen, wie eine Mutter sein solle, als die Mutter selber. Diese Aussage zeigt: Für Zündstoff in der Diskussion rund um die Mutterrolle ist weiterhin gesorgt.

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