Wenn diese Frau einen Erziehungsratgeber schreibt, muss sie sich um Glaubwürdigkeit wenig bemühen. Der Grund: Die US-amerikanische Pädagogin Esther Wojcicki ist wegen ihres unkonventionellen pädagogischen Erziehungsstils in den USA eine Berühmtheit.
Zudem zog sie drei Töchter gross, die sehr klug und sehr erfolgreich sind. Zwei von ihnen gehören zu den erfolgreichsten Unternehmerinnen im Silicon Valley: Susan (50) ist Youtube-Chefin, Anne (44) ist CEO einer Biotechnologiefirma und Janet (48) ist Medizin-Professorin.
«How to Raise Successful People» heisst der neue Ratgeber ihrer Mutter. Eine Anleitung zum steilen Aufstieg in der Tech-Branche ist er aber nicht. Wojcicki geht es nicht um beruflichen Erfolg, sondern um selbstbewusste, glückliche Kinder.
Ein Erziehungs-Trick
Wie man solche erzieht? Tierisch gelassen. «Panda Mama» heisst ihr Ratgeber in der deutschen Übersetzung und fordert von Eltern: Lasst eure Kinder machen und macht euch überflüssig.
Kindern nicht im Weg stehen
Ihre zentralen Forderungen: Traut euren Kindern viel zu, lasst sie ausprobieren, Fehler machen und scheitern. Zwingt sie zu nichts, der eigene Antrieb und die Leidenschaft sind wichtiger.
Und Kinder sollten früh mitdiskutieren – sei es in der Familie oder in der Schule. «Im 21. Jahrhundert kommt man mit diktatorischen Vorstellungen nicht mehr weit», schreibt Wojcicki. Und fordert: Fragt eure Kids, findet die Lösung gemeinsam.
Mehr Ermutigung, weniger Erwartungsdruck: Was Wojcicki rät, ist weder innovativ noch revolutionär. Sie erklärt aber, wie man Kindern nicht im Weg steht. Darin liegt die Stärke ihres Ratgebers: Er stellt keine neuen Gebote auf, sondern revidiert häufige Erziehungsfehler. Ihr Ziel: «verkopfte» Erziehung wieder intuitiv machen.
So nimmt Wojcicki in «Panda Mama» bekannte Erziehungskonzepte auseinander, kritisiert diese und macht Vorschläge, wie man es besser machen kann.
«Helikopter-Eltern» etwa, die ihre Kinder kaum aus den Augen lassen, rät sie zu mehr Vertrauen. Ihren eigenen Kindern traute Wojcicki eine Menge zu. Die Töchter liess sie etwa mit acht Jahren die Lebensmitteleinkäufe für die ganze Familie koordinieren.
Wojcickis Credo: Kinder wollen involviert und gefordert werden. Ausserdem stärke es ihr Selbstbewusstsein, wenn sie merken, dass ihnen jemand vertraut. Wenn etwas schiefläuft, lernten sie mit Niederlagen umzugehen.
Grosses Ego, geringes Selbstwertgefühl
Schliesslich kritisiert Wojcicki unsere Fixierung auf individuellen Erfolg. Damit zögen wir «unabsichtlich narzisstische Kinder gross.» Eltern müssten ihren Kindern heute mehr denn je beibringen, sich für die Gemeinschaft zu engagieren.
«Man ist am glücklichsten, wenn man etwas tut, um anderen zu helfen.» Was wie ein flacher Kalenderspruch klingt, scheint in Wojcickis Buch die richtige Medizin für Kinder, die durch überfürsorgliche Eltern und Social Media zu Aufmerksamkeits-Junkies geworden sind.
Esther Wojcickis Ratgeber überzeugt durch seine Unaufdringlichkeit und nüchterne Analyse. Ihre entschlackte Sprache will weder unnötig empören noch Angst machen.
So gelingt der Autorin mit «Panda Mama», was viele Erziehungsratgeber verfehlen: Er stresst Eltern nicht, sondern beruhigt sie. Indem er an Grundsätzliches erinnert und sie – ebenso wie ihre Kinder – mutiger machen will.