In diesem Jahr wollte sich Amira Hafner-Al Jabaji eine spezielle Auszeit gönnen. «Zehn Tage wollte ich mich ins Kloster Dornach zurückziehen. Fasten, mir die Tage selbst einteilen, im Garten und in der Küche mithelfen», erzählt die Islamwissenschaftlerin und SRF-Moderatorin.
Nun bleibt auch sie zu Hause. Statt Kloster und Rückzug ist nun Arbeit und Management gefragt. Homeschooling, Homeoffice, Skype-Meetings und nebenbei hält sie den Haushalt aufrecht.
Pandemie erschwert den Fastenmonat
Ramadan sei in diesem Jahr eine besondere Herausforderung, sagt Amira Hafner-Al Jabaji. Für Spiritualität bleibe mitten im familiären Rummel momentan wenig Platz. Sie hoffe aber, das werde sich in den nächsten vier Fastenwochen noch einstellen.
Wer in ihrem Haushalt faste und zu welcher Zeit, das würde sich von Tag zu Tag entscheiden. Dies habe aber nichts mit Corona zu tun. Das sei normal, betont die Islamwissenschaftlerin: «Jeder mündige erwachsene Mensch entscheidet am Abend für sich selbst, ob er am nächsten Tag fasten wird oder nicht.»
Bei Krankheit, Schwangerschaft oder anderen starken Belastungen dürfe man das Fasten aussetzen.
Fastenbrechen nur in der Kleingruppe
Ramadan ist die Zeit der Enthaltsamkeit, aber auch die Zeit der Gemeinschaft. Nach Sonnenuntergang bricht man in Moscheen, Kulturzentren oder im erweiterten Familienkreis das Fasten.
Dann geniesst man in der Gemeinschaft ein opulentes Festmahl. Diese Tradition fällt in diesem Jahr aus: Das Essen ist nur in der Kleinfamilie möglich.
Das gemeinsame Mahl sei allerdings nicht das Wichtigste, betont Islamwissenschaftlerin Hafner-Al Jabaji. «Der Auftrag lautet nicht: Kommt zusammen zum Essen! Der Auftrag lautet: Enthaltet euch des Essens und Trinkens von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.»
Fokus auf Achtsamkeit
Trotzdem: Viele Muslime werden das gemeinsame Fastenbrechen und anschliessende Festmahl vermissen, ist Kerem Adıgüzel überzeugt. «Für einige sind diese gemeinsamen Essen der Höhepunkt im Ramadan.»
Der Softwareentwickler hat den Verein «Al-Rahman» gegründet. Ein Verein, in dem sich die Mitglieder offen und kritisch mit dem Islam auseinandersetzen.
Die Gemeinschaft sei zwar wichtig, sagt Kerem Adıgüzel. Laut Koran sei das Ziel des Ramadans aber, dass man Achtsamkeit und Dankbarkeit übe. Und das sei auch in der Isolation möglich.
Virtuelle Gemeinschaft
Aus persönlicher Sicht ist das verordnete Zuhausebleiben für Kerem Adıgüzel kein Problem. Als Präsident des Vereins «Al-Rahman» ist der Informatiker aber auch von den Einschränkungen betroffen.
Als Glaubensgemeinschaft wollten sie sich zurückziehen, im Koran lesen, beten und dann gemeinsam das Fasten brechen. Nun geschieht das per Skype.
Physische Distanz – soziale Nähe
Per Videoschaltung Fastenbrechen sei eine Herausforderung, erzählt Kerem Adıgüzel: «Wir haben Mitglieder in Norddeutschland. Dort geht die Sonne später unter als hier.»
Ob die einen schon mit Essen beginnen, während die anderen noch eine halbe Stunde warten müssen, das müssten sie testen, so Adıgüzel. Dem Präsidenten des Vereins «Al-Rahman» ist es aber wichtig, dass sich niemand allein fühlt. Und dass die Gemeinschaft trotz physischer Distanz spürbar ist.