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Gesellschaft & Religion Gabriel Vetter: «Jan Böhmermann hat sehr viel sehr gut gemacht»

Die Türkei will den deutschen Satiriker Jan Böhmermann wegen seines Schmähgedichts auf Präsident Erdogan strafrechtlich verfolgen – zu recht? Der Schweizer Kabarettist Gabriel Vetter wertet die strittige Performance nicht als Straftat. Satire habe immer auch mit juristischen Tatsachen zu tun.

Gabriel Vetter, sind Sie ein Fan von Jan Böhmermann?

Ich schwanke zwischen beruflichem Fachinteresse und vernünftigem Fantum.

Was macht Böhmermann anders als andere Satiriker?

Die Sendung «Neo Magazin Royale» ist die erste Satiresendung im deutschsprachigen Raum, die nicht nur die Nachrichtenrealität als Satirematerial wahrnimmt. Vielmehr versteht sie es, dass auch die Bearbeitung dessen, was wir als Medienrealität ansehen, als Material für die eigene Satire zu nutzen.

Viele Satiresendungen unterliegen gewissen Ritualen. Als begabter Satiriker weiss man sehr schnell, dass alles, was nach Ritualen funktioniert, sehr gut geeignet ist, um es zu persiflieren. Darum macht Böhmermann eine Art Metasatire, die – in Zeiten von Social Media – auch mit der Rezeption spielt. Der Dialog und die Kritik nach der eigentlichen Satire werden Teil der Satire.

Ein junger Mann mit kurzem Haar und Dreitagebart schaut ersnt in die Kamera.
Legende: Slam-Poet, Kabarettist, Autor: Gabriel Vetter, geboren 1983, ist einer der bekanntesten Satiriker der Schweiz. Keystone

Ist das Schmähgedicht auf Erdogan noch Satire und fällt damit unter Redefreiheit? Oder handelt es sich dabei um Schmähkritik, also um eine Beleidigung, die strafbar ist?

Ich kann das nicht absolut beurteilen, ich bin kein Jurist. Aber da das Gedicht im Rahmen einer Satiresendung, die auch ganz klar als solche gekennzeichnet ist, vorgetragen wurde, gehe ich davon aus, dass es unter Satire fällt.

Dieses Beispiel ist exemplarisch für das, was Böhmermann macht: Bevor er das Gedicht vorlas, hatte er im Fernsehen darauf hingewiesen, dass das, was jetzt kommt, eigentlich nicht erlaubt sei.

Handelt es sich hierbei um ein neues Satire-Genre?

Das ist ein interessanter Punkt bei Böhmeranns Satire: Niemand weiss, wann sie fertig ist. Die Stunts sind so angelegt, dass sie schon a priori damit rechnen, dass sämtliche Kommunikationsrituale, die darauf folgen, als Teil der Satire einberechnet werden. Auch wir, die jetzt am Radio über Böhmermann reden, sind Teil dieses grossen Satirestunts vom «Neo Magazin Royale».

Was denken Sie, hat die Redaktion damit gerechnet, dass es zu einem Strafverfahren kommt?

Der Fall Böhmermann

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Die türkische Regierung wehrt sich gegen ein Gedicht mit dem Titel «Schmähkritik», das Jan Böhmermann am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow «Neo Magazin Royale» präsentierte. Böhmerann beleidigte dabei bewusst den türkischen Präsidenten Erdogan, um die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter und verbotener Satire deutlich zu machen.

Das hoffe ich. Wenn man so etwas plant, muss man von allem ausgehen. Ich denke, die Redaktion hat ein Strafverfahren zumindest in Betracht gezogen – das ist normal, weil professionell.

Sie würden nicht sagen, der Fall verlässt die Ebene der Satire und wechselt in den Bereich der Justiz über?

Schwierig zu sagen. Grundsätzlich tut man immer so, als habe Satire nichts mit dem normalen Leben zu tun. Aber: Satire hat immer mit normalen Begebenheiten und juristischen Tatsachen zu tun. Es gibt ein Wechselspiel zwischen Satire und Juristerei.

Natürlich lebt der Stunt, den das «Neo Magazin Royale» und Böhmermann jetzt gerade machen, auch davon, dass die juristischen Begebenheiten Teil der Satire werden. Darum muss man damit rechnen, dass dieser Stunt tatsächlich strafrechtliche Konsequenzen hat.

Trotzdem wird’s ja jetzt ziemlich brenzlig. Was denken Sie als Satiriker, wenn einer Ihrer Kollegen in eine Staatsaffäre verwickelt ist?

«Herzlichen Glückwunsch», geht mir durch den Kopf. Da hat eine Redaktion sehr viel sehr gut gemacht.

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