Der russischstämmige US-Autor Gary Shteyngart nimmt kein Blatt vor den Mund – vor allem, wenn es um den US-Präsidenten geht. Ein Gespräch über Shteyngarts neues Buch, Trumps Kommunikation und den Untergang der USA.
S RF: Was hat sich in den USA verändert, seit Trump Präsident ist?
Gary Shteyngart: Der Umgangston, das Niveau des Anstands. Rechtsextremismus ist Teil unseres Alltags geworden. Menschen werden wegen ihrer Hautfarbe oder Religion umgebracht.
Wir gehen rückwärts und zwar schnell. Dieses Land wird keine weiteren vier Jahre überleben, wenn Trump wiedergewählt wird.
Sie schreiben in Ihrem Roman «Willkommen in Lake Success», dass das Land im Krieg gegen sich selber steckt. Wie meinen Sie das?
Im Amerika herrscht die Überzeugung, dass jede Generation ein besseres Leben führt als die vorherige. Ich glaube, den Menschen ist nicht bewusst, was es für unser Land bedeutet, wenn das nicht mehr zutrifft.
Die USA und Russland haben mehr gemeinsam, als man sich eingestehen will.
Während Jahrhunderten haben wir uns weiterentwickelt, waren technologisch und militärisch weltweit führend. Jeder Generation ging es besser als ihren Eltern. Das ist der amerikanische Mythos – diese Einzigartigkeit.
Ohne diese Einzigartigkeit gibt es kein Amerika. Sie wird aber nicht weiterbestehen. Viele werden ihre Zugehörigkeit zur Mittelschicht verlieren. Es wird mehr ärmere Leute geben.
Jedes Reich kommt einmal zu einem Ende. Ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen. Wenn solche Giganten ins Straucheln kommen, gibt es Opfer.
Im Fall der Sowjetunion war es die Ukraine, in den USA sind es die Einwanderer, die Kinder, die an der Grenze von ihren Eltern getrennt werden. Die USA und Russland haben mehr gemeinsam, als man sich eingestehen will.
Glauben Sie, dass Amerika am Ende ist?
Es wird eine Weile dauern. Das Land wird versuchen, eine neue Identität zu finden. Aber wir überlassen der nächsten Generation so viele Probleme. Wie schon die Generation vorher, die sogenannten «Babyboomers».
In den sozialen Medien taucht er ständig auf. Ich mache dafür die Technologie verantwortlich.
Es ist erstaunlich, wie wenig es Trumps Wähler kümmert, was sie ihren Urgrosskindern überlassen. Ich verstehe nicht, wie man gegenüber zukünftigen Generationen so rücksichtslos sein kann. Der Narzissmus scheint da über allem zu stehen.
Sie haben einmal gesagt, dass Trump in fast jeder Konversation omnipräsent sei. Wie erklären Sie sich das?
Diktatoren – und Trump will einer sein – befassen sich ständig damit, wie sie sich in jedes Gespräch drängen können. Früher stellte man irgendwo an einen prominenten Platz in der Stadt oder an einer Schule ein grosses Porträt auf – heute läuft es ganz anders.
Seit es Smartphones gibt, ist Trump omnipräsent. In den sozialen Medien taucht er ständig auf. Ich mache dafür die Technologie verantwortlich. Wieso gab es nie Sicherheitsmassnahmen? Man sah immer nur den Profit.
Die Zuckerbergs sind für diese desolate Situation genauso verantwortlich wie Trump. Man profitiert davon, dass sich viele Menschen nicht mehr differenziert informieren. Es ist eine globale Tragödie, die für viele Generationen Folgen haben wird. Besonders im Umgang mit Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Religion.
Ein Grund dafür ist sicher auch, dass es so einfach ist, in den sozialen Medien seine Meinung zu äussern kann.
Jeder ist plötzlich ein Experte. Wenn man ein Smartphone hat, fühlt man sich als Fotograf. Wenn man einen Blog hat, fühlt man sich als Schriftsteller.
Daraus kann natürlich auch viel Kreatives entstehen – ich will das nicht schlechtmachen. Aber wenn jede Information gleich viel Wert hat wie eine x-beliebige andere, ist plötzlich alles gleich – dann gibt keine Wahrheit mehr.
Das Gespräch führte Britta Spichiger.