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Gesellschaft & Religion Hintergrund zum «Tatort»: Bedürfnisse von Scheidungskindern

Im neuen «Tatort» verlieren die Erwachsenen im Trennungsstress ihre Kinder aus den Augen. Ein bekanntes Problem, meint Kinderpsychologin Sabine Brunner. Für Kinder bleibe im Scheidungskrieg oft keine Zeit mehr, sagt sie im Interview.

«Zwischen zwei Welten» heisst der neue «Tatort». Er zeigt das Leben dreier Kinder, die im Leben ihrer Eltern nach der Trennung kaum noch Platz finden. Jeder Elternteil lebt sein eigenes Leben, ohne sich gross um das Wohl der Kinder zu kümmern. Wie kommt es soweit?

Sendehinweis

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Im neuen «Tatort» wird eine junge Mutter namens Donna Müller von einer Brücke gestossen und ist sofort tot. Der Fall führt die Luzerner Tatort-Ermittler Reto Flückiger und Liz Ritschard zu Donnas drei Kindern und drei verschiedenen Vätern, die als Täter infrage kommen.

Montag, 20.05 Uhr auf SRF 1

Sabine Brunner: Wenn sich Eltern scheiden lassen, bedeutet das immer auch eine Reorganisation des Lebens: Die Erwachsenen müssen sich auf sozialer, beruflicher und gesellschaftlicher Ebene neu finden und einrichten.

Das nimmt enorm viel Zeit und Energie ein und führt dazu, dass Eltern oftmals ihre Kinder aus den Augen verlieren. Das ist durchaus üblich nach einer Trennung. In solchen Fällen ist es wichtig, die Eltern dabei zu unterstützen, ihre Kinder wieder in den Blick zu bekommen.

Was kann man tun, damit bei einer Trennung die Kinder nicht zu kurz kommen?

Wichtig und absolut notwendig ist das direkte Gespräch mit dem Kind. Man muss es miteinbeziehen, schauen, was es braucht und wo es steht. Das Kind muss merken, dass es ernst genommen wird. Wenn dieses Vertrauen einmal da ist, kann man auch offen und klar über seine Bedürfnisse und Fragen reden.

Wie sehen diese Bedürfnisse aus?

Kinder erleben eine Scheidung ganz anders als Erwachsene: Während die Eltern ihr ganzes Leben neu organisieren müssen, geht es beim Kind um Fragen seines eigenen Lebensalltags. Zum Beispiel möchte es weiterhin in den Fussballclub gehen können oder mit denselben Freunden zusammen sein. Es will klarstellen, dass sein Alltag nicht gefährdet ist.

Es kann vorkommen, dass sich das Kind auf die Seite eines Elternteils stellt. Das kann für den anderen Teil sehr schmerzhaft sein. Wie kann verhindert werden, dass das Kind instrumentalisiert wird und sich gegen Vater oder Mutter richtet?

Zur Person

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Sabine Brunner ist klinische Psychologin am Marie Meierhofer Institut für das Kind. Sie berät Kinder und Eltern in der Trennung und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich «Partizipation und Schutz von Kindern».

Auch wenn ein Elternteil vielleicht das Gefühl hat, das Kind würde vom Partner beeinflusst, so kann es trotzdem sein, dass das Kind zutiefst so empfindet. Wenn ein Kind seinen Willen ausdrücklich äussert, dann kommt es nicht wirklich darauf an, woher dieser Wille kommt. Natürlich muss bei Willensäusserungen herausgefunden werden, ob sie einem momentanen Konflikt entsprungen sind und wieder verfliegen oder ob es etwas lang Anhaltendes ist.

Aber grundsätzlich ist es nie eine gute Lösung, gegen den ausdrücklichen Willen des Kindes zu arbeiten. Vielmehr soll man bei «instrumentalisierten» Willensäusserungen das Kind liebevoll und respektvoll begleiten.

Im «Tatort» ist einer der Väter der Kinder in einer Organisation von Männern, die sich in ihrer Vaterrolle benachteiligt fühlen. Wie steht es um die Rollenverständnisse von Mutter und Vater nach einer Scheidung?

Wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Umbruch, was die Situation des Vaters betrifft. Es herrscht eine deutliche Verunsicherung gegenüber der Rolle der Väter – von Frauen- und Männerseite.

Für das Kind ist es in erster Linie wichtig, dass es in einer konfliktfreien und fürsorglichen Umgebung mit zuverlässigen Bezugspersonen aufwachsen kann. Wie genau sich diese Umgebung gestaltet, und mit welcher Intensität sich die Elternteile in die Umgebung einfügen, ist letztlich zweitrangig und kann ganz unterschiedlich ausfallen.

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