Schliessungen von Bildungseinrichtungen, Verhaftungen und Entlassungen: Das ist Alltag für Anhänger von Fethullah Gülen seit dem Putschversuch vom 15. Juli in der Türkei. In den letzten vier Monaten hat die türkische Regierung 100'000 Beamte entlassen. Mit diesen Repressalien zielt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die Anhänger von Gülen.
Erdogan und Gülen kooperierten
Der in den USA lebende Prediger wird als Drahtzieher des Putschversuchs beschuldigt. Erdogan wirft Gülen vor, «parallele Strukturen» aufgebaut zu haben, in dem er seine Anhänger in wichtige Schlüsselpositionen des Staatsapparates untergebracht habe.
Eine Entwicklung, die ohne Erdogans Wissen nicht möglich gewesen wäre, betont der Nahostexperte Arnold Hottinger. Erdogan und Gülen kooperierten, um einen gemeinsamen Feind loszuwerden: das Militär. «Doch als Gülen für Erdogan zu dominant wurde, zerbrach die Freundschaft und eine Feindschaft begann», sagt Hottinger.
Spannungen schwappen über
Die Auswirkungen dieser Feindschaft spürt auch Gülen-Sympathisant Ejder Sabanci hier in der Schweiz. Der Druck auf Anhänger Gülens und seine ihm nahestehenden Institutionen sei seit dem Putschversuch gewachsen. «Anfeindungen kursieren in den sozialen Netzwerken», sagt Sabanci.
Drohungen und Beschimpfungen kennt er auch aus dem Alltag. «Ein türkischer Freund wurde in einem türkischen Geschäft als Landesverräter beschimpft.» In der Moschee würden andere Türken auf Abstand gehen und langjährige Freundschaften gingen zu Bruch.
Tiefe Kluft
«Seit dem 15. Juli erlebe ich eine tiefe Kluft in der türkischen Gemeinschaft», sagt Sabanci. Es würde nicht zwischen pro-Gülen und pro-Erdogan, sondern zwischen pro- oder kontra-Erdogan unterschieden.
Sabanci lebt seit vier Jahren in der Schweiz. Er ist der ehemalige Geschäftsführer des Dialog-Institutes in Zürich. Eine Institution, sich als politisch neutral, jedoch als Teil der Hizmet-Bewegung definiert und sich für den Dialog der Religionen und Kulturen engagiert.
Das Dialog-Institut ist eines von fünf Kulturzentren, das Gülen-Anhänger in der Schweiz betreiben. Daneben gibt es zehn Nachhilfe- und Jugendzentren, sowie eine staatlich anerkannte Privatschule mit kantonalem Lehrplan.
Intransparenz weckt Misstrauen
Sabanci schätzt, dass in der Schweiz ein paar hundert Gülen-Sympathisanten leben. In der Schweiz, wie auch in anderen Ländern, bilden die Anhänger ein loses Netzwerk ohne Mitgliederlisten. Ihre Anzahl ist unklar. Es gibt weder eine Dachorganisation noch offizielle Ansprechpersonen.
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Die Bewegung einzuschätzen fällt dementsprechend schwer: «Einiges weiss man, gleichzeitig bleibt vieles im Dunkeln», sagt Hottinger. Diese Intransparenz weckt vielerorts Misstrauen. Die Bewegung hat gemäss Hottinger zwei Gesichter: «Das öffentliche Gesicht zeigt einen liberalen Islam, das geheime steht für das unklare ziel- und zweckorientierte Vorgehen.»
Junge Generation arbeitet eifrig
«Es wäre besser, wenn man mehr Transparenz schaffen würde», antwortet Sabanci auf den Vorwurf. Aber das sei nicht so einfach: «Unser Kulturverein hat auch Mitglieder, die uns der Sache wegen unterstützen.»
Sie seien keine Gülen-Anhänger und wären nicht einverstanden, sich einem Dachverband unterzuordnen. «Wohl aber arbeitet die neue junge Generation der Gülen-Sympathisanten eifrig daran, mehr Transparenz zu schaffen.»