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Gesellschaft & Religion Homosexualität: Wann ist ein Mann ein Mann?

Outet sich ein Fussballer, so macht das Furore. Ein schwuler Coiffeur hingegen erregt keine Gemüter: Homosexualität wird nicht in allen Bereichen gleich akzeptiert. Am besten scheinen Schwule in unsere Gesellschaft zu passen, wenn sie als Paar im Vorgarten ihres Einfamilienhauses Unkraut jäten.

Der Ex-Fussballprofi Thomas Hitzlsperger provozierte mit seinem Outing eine neuerliche Debatte über Homosexualität. Wäre Hitzlsperger ein international arrivierter Coiffeur gewesen, hätte sich niemand um sein Outing geschert. Es spielt also eine Rolle, in welchem Umfeld ein Mann zu seiner homosexuellen Orientierung steht. Und das hat sehr viel mit der Vorstellung von Männlichkeit zu tun. Diese Vorstellung, wie ein Mann in unserer Gesellschaft zu sein hat, untersucht die Soziologin Sylka Scholz.

Homosexuelle Fussballspieler erhitzen die Gemüter

Fussballer feiert sein Goal
Legende: Schwule Fussballer – für viele undenkbar: Ex-Fussballprofi Thomas Hitzlsperger. Keystone

Die Verbindung von Fussball und Männlichkeit bringt zum Beispiel ganz alte, aber immer noch wirksame Muster an den Tag. Fussball gilt immer noch als Männersport. Hier darf hart gekämpft werden, und Blessuren gehören dazu. Gleichzeitig tauschen die Sportler im Anschluss ans Spiel die Trikots, sie umarmen sich und kleben manchmal geradezu aneinander. Fussball ist ein Sport, bei dem sich Männerkörper überdurchschnittlich nahe kommen.

Die Soziologin Sylka Scholz sieht darin Gründe für die besondere Abwehr von Homosexualität bei Fussballern. Alles, was nur im Ansatz homoerotisch ausgelegt werden könnte, darf hier nicht vorkommen. Diese Art von körperlicher Intimität soll im Fussball nur von Männern ausgetauscht werden, die sich ihrer heterosexuellen Männlichkeit gewiss sind. Ist doch ein Männersport – für Männer.

Politiker dürfen schwul sein

Porträt
Legende: Guido Westerwelle ist schwul und lebt – akzeptiert von der Allgemeinheit – in einer festen Beziehung mit einem Mann. Keystone

Der ehemalige deutsche Aussenminister Guido Westerwelle ist schwul. Mit seinem Partner liess er sich immer wieder in der Öffentlichkeit sehen. Probleme hatte er deswegen nicht. Der regierende Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit bekundete seine Homosexualität öffentlich, auch er hat einen festen Partner.

Beide Politiker orientieren sich am heterosexuellen Modell des Lebens zu zweit. Das schlucken die Leute nicht nur, sie schätzen es auch, erklärt Sylka Scholz.

Einmal schwappte eine Welle der Empörung durch die bundesdeutsche Gesellschaft. Wowereit hatte eine Sado-Maso-Messe eröffnet. Das ging überhaupt nicht. Der Politiker hatte das normative Korsett der bürgerlichen Zweierbeziehung verlassen, indem er öffentlich sexuell vermintes Terrain betrat. Wer hingegen homosexuell ist und beispielsweise im Einfamilienhaus lebt, bestenfalls noch am Wochenende im eigenen Garten Unkraut jätet, der hat nichts zu befürchten, sagt die Soziologin, und bezieht sich damit auf die Resultate ihrer Forschung. Unter Legitimationsdruck kommt also nur, wer sich nicht vom Diktat der heterosexuellen Mehrheit beugen lässt.

Normaler Alltag in der Politik

Was im Fussball-Millieu noch zu Skandalisieren vermag, ist in der Politik ganz normaler Alltag. Warum? Seit sich das politische Geschäft für Frauen geöffnet habe, sei auch der homosexuelle Mann willkommen, ebenso wie Menschen mit Migrationshintergrund, konstatiert die Soziologin. Die einstmals unauflösliche Verbindung von Mann und Macht ist in der Politik aufgeweicht. Nur, das gilt nicht für alle Berufsfelder.

Die Machtfrage stellt sich über Männlichkeit

Nicht so im Top Management: Hier kann sich bis heute keine männliche Führungskraft erlauben zu ihrer Homosexualität zu stehen, so die Soziologin. Hier definieren sich Männer in Abgrenzung zu allem, was weiblich sein könnte. Sonst könnten ihre Machtbefugnisse ins Wanken geraten. Nicht umsonst gibt es in dieser Branche kaum Frauen.

Erst in einer Gesellschaft mit vollumfänglicher Gleichberechtigung der Geschlechter wäre die männliche Homosexualität auf allen Ebenen kein Thema mehr. Denn dann würde sich die Machtfrage nicht mehr über das Geschlecht stellen.

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