Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, besser bekannt als Joko & Klaas, haben mal wieder für einen Coup gesorgt. Die beiden deutschen Comedians gewannen auf Pro 7 eine Carte Blanche am Mittwochabend – zur besten Sendezeit.
Gezeigt haben sie keine Blödeleien, sondern eine 15-minütige Sendung , in der die Autorin Sophie Passmann Männergewalt an Frauen und sexuelle Belästigung im Netz thematisiert. Die Viertelstunde löste viele Reaktionen aus – erst im Netz, dann in den Medien.
Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach begrüsst die Sendung, vermisst darin aber aber eine wichtige Stimme.
SRF: Über die alltägliche Gewalt an Frauen wird nicht zum ersten Mal gesprochen, die #Metoo-Debatte läuft seit rund zweieinhalb Jahren. Warum verblüfft und schockiert jetzt dieser Clip von Joko und Klaas dennoch so stark?
Franzsika Schutzbach: Das macht schon nachdenklich, dass Leute offenbar immer noch überrascht sind darüber, was Frauen täglich erleben. Ich denke, das ist einfach so bei diesem Thema. Es braucht immer wieder von Neuem Aktionen und Debatten, die darauf aufmerksam machen.
Ich finde es sehr gut, dass es da verschiedene Stilmittel gibt. Dieser Clip ist auch wieder ein ganz besonderes Stilmittel, das sicher auch genau aus dem Grund viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
Gibt es auch negative Aspekte an diesem Video?
Mir fehlen etwas die Schattierungen, die quasi alltäglichen Formen von Belästigungen und Übergriffen. Ich frage mich, inwiefern sich die sogenannt «ganz normalen Männer» von diesem Clip angesprochen fühlen.
Deswegen hätte ich es wichtig gefunden, wenn Joko und Klaas in dem Clip darauf aufmerksam gemacht hätten, dass einer der beiden vor einigen Jahren in einer Sendung eine Frau drastisch belästigt hat .
Da haben sie eine Chance verpasst zu zeigen: Das ist etwas, was die «ganz normalen» Männer tun. Dass da nicht irgendein Durchgeknallter am Computer sitzt und sich nicht mehr kontrollieren kann.
Dass Joko und Klaas sich zurückziehen und nicht selbst auftreten und das Feld den Frauen überlassen, könnte auch positiv gewertet werden.
Es ist wichtig, dass Männer zu diesem Thema aktiv werden: Indem sie die Plattformen, die sie haben, zur Verfügung stellen. Indem sie aber auch selbst darüber sprechen. Sie müssen dieses Thema aufgreifen und können es nicht mehr nur den Frauen überlassen.
Andererseits ist es schwierig bei diesen Themen, die so lange von Frauen bearbeitet worden sind, dass Männer sich nicht als Helden oder Experten aufspielen. Es braucht eine grosse Sorgfalt, dass sie Betroffene nicht unsichtbar machen. Aber das ist machbar.
Die Resonanz auf diese 15 Minuten ist riesig. Viele sind begeistert, es gibt aber auch Kritik. Welche Bedenken haben Sie?
Die Auswahl der Protagonistinnen in diesem Clip ist etwas einseitig. Das wurde auch schon angesprochen – auf Twitter und in Texten.
Der Clip zeigt stark die Perspektive von eher privilegierten, jungen, weissen Frauen, während die Frage, wie Frauen «of colour» oder Migrantinnen sexualisierte Gewalt erleben, eher zu kurz kommt.
Ich finde es wichtig, dass diese Perspektiven in Zukunft nicht zu kurz kommen.
Es ist wichtig, dass Männer zu diesem Thema aktiv werden.
Bei aller Kritik an diesem Fernsehauftritt: Man kann doch sagen, da wird eine Debatte angestossen.
Das sehe ich auch so. Ich finde es einen wichtigen Beitrag. Ich finde es aber auch wichtig, dass wir kritisch darüber streiten, dass die unterschiedlichen Sichtweisen und Rezeptionsarten dieses Clips diskutiert werden und so die Vielfalt des Feminismus deutlich wird.
Es gibt sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Gewalt. Ich bin froh, wenn das in dieser Vielfalt jetzt auch weiter debattiert wird.
Das Gespräch führte Brigitte Häring.