- 2017 war ein blutiges Jahr für die Kopten in Ägypten: Rund 100 Menschen starben bei Anschlägen von Islamisten.
- Die Opfer von Gewalt gelten als Märtyrer und werden im koptischen Kulturzentrum in Kairo geehrt.
- Die Angst vor Terror ist ständig präsent, bringt die Christen aber auch näher zusammen.
Es geht nun schon seit gut zwei Jahren so. Trotzdem mag die Koptin Miriam sich nicht daran gewöhnen: Die koptisch-orthodoxe Kirche ihrer Gemeinde kann sie nur durch einen Metalldetektor betreten, vorbei an Polizisten und bewaffneten Soldaten. Jedes Mal muss sie sich in die Tasche schauen lassen. «Das ist verrückt», sagt sie.
Vorbereiten auf Gewalt
Die christlichen Gemeinden Ägyptens befinden sich im Ausnahmezustand. Islamistische Terroristen attackieren ihre Kirchen. Rund 40 Koptinnen und Kopten starben letzten Frühling während koptischen Ostermessen in den Städten Tanta und Alexandria.
Etwa 60 weitere Menschen starben seither aufgrund von Anschlägen auf koptische Ziele, viele mehr wurden verletzt. Das macht 2017 für die Christen Ägyptens zu einem der blutigsten Jahre der jüngsten Vergangenheit. Prekär ist die Lage aber schon länger.
Fanatiker suchen für ihre Anschläge mit Vorliebe Feiertage aus. Deshalb erhöhte die ägyptische Regierung anfangs Januar, rund um die koptischen Weihnachtstage, das Sicherheitsaufgebot massiv: 260'000 zusätzliche Polizisten und Soldaten mit Sturmgewehren bewachten rund 2600 Kirchen in ganz Ägypten. Bis heute sind rund um Kirchen ganze Strassenzüge gesperrt.
Panzer vor der Kathedralskirche
Das Gelände der Kairoer Kathedralskirche St. Markus wird gar von Panzern bewacht. Hier lebt Papst Tawadros II., das Oberhaupt der orthodoxen Koptinnen und Kopten. In Ägypten stellen sie mit 10 Prozent Bevölkerungsanteil – das entspricht rund 10 Millionen Menschen – die weitaus grösste christliche Minderheit.
Die Kopten sind die Nachfahren der ersten Christen und leben schon seit 2000 Jahren in Ägypten, schon lange vor dem Aufkommen des Islams. Der Name Kopte bedeutet sogar Ägypter.
Verfolgt wurden die Kopten trotzdem bereits seit Anbeginn. Das Märtyrertum ist gleichsam Teil ihrer Identität. «Wir haben 20 Jahrhunderte unter Verfolgungen aller Art gelitten», sagt der koptische Mediensprecher Boulos Halim, «das bestärkt uns nur in unserem Glauben.»
Die meisten Muslime seien moderat, doch eine fanatische Minderheit richte grossen Schaden an, so Boulos Halim. Er wünscht sich vor allem eins: «Ägypten muss der jungen Generation eine gute Ausbildung geben und ihnen gute Werte vermitteln.» Denn nur eine solide Bildung schütze vor dem Einfluss islamistischer Fanatiker.
«Lieber in der Kirche sterben als anderswo»
Obwohl der Besuch einer Messe gefährlich geworden ist, haben die koptischen Kirchen nicht weniger, sondern mehr Zulauf. Die Kopten halten zusammen und sind sehr gläubig. Haben sie keine Angst?
«Wenn ich in einer Kirche sterbe, ist es besser als anderswo», sagt Miriam. Zwei andere junge Frauen sagen: «Bete und habe keine Angst!» Andere reagieren mit schwarzem Humor: «Ich habe eine Messe besucht und lebe noch!», habe sich als gängiger Spruch etabliert.
Als Märtyrer geehrt
Alle Anschlagopfer gelten als Märtyrer. Jedem einzelnen wird im koptischen Kulturzentrum neben der Markuskathedrale gedacht: Mit einer Fotografie und einer Vitrine mit Kleidungsstücken und Gegenständen, die den Verstorbenen wichtig waren. An manchem Hemd klebt Blut.
Beim Rundgang bleibt die Museumsführerin vor dem Foto eines lachenden Mädchens mit roter Brille stehen: «Das ist das jüngste Opfer, Maggy. Sie war 10 Jahre alt.»
Die Räumlichkeiten würden bald erweitert, erzählt sie ausserdem. Es haben nicht mehr alle Märtyrer Platz.
Schikanen ausgesetzt
Kopten haben es auch im Alltag oft schwerer als Muslime. Wenn Kopten Kirchen bauen oder renovieren wollen, obliegt das besonders bürokratischen Gesetzen. Kopten sind zudem in hohen Regierungs- oder etwa Militärpositionen untervertreten.
Beklagen tut sich trotzdem kaum einer oder eine. Christen gelten als besonders regierungstreu. Man will es sich mit dem Staat, von dessen Schutz man abhängt, nicht verscherzen.
Ein wichtiges Zeichen
Nach der Zeit unter Muslimbruder Mohammed Mursi, der ganz unverhohlen gegen Christen hetzte, sind die meisten Kopten heute froh, den Militärführer Abdel Fattah al-Sisi zum Präsidenten zu haben. Zu Weihnachten kam er sogar zur Einweihungsmesse einer neuen Kathedrale mit Papst Tawadros.
Diese noch unfertige Kathedrale liegt in der noch neuen Verwaltungshauptstadt Ägyptens , in der Nähe von Kairo. Sie bietet über 8000 Gläubigen Platz und gilt als grösste Kirche des Nahen Ostens.
Der Bau sei ein wichtiges, gutes Zeichen, sagt Kopten-Sprecher Boulos Halim. Noch besteht Hoffnung, dass die Kopten Weihnachten in Zukunft wieder einmal ohne Panzer, ohne Militärbewachung feiern können.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Blickpunkt Religion, 14.1.18, 8.08 Uhr