Was ist passiert? Mindestens 70 ägyptische Statuen, griechische Götterbilder und europäische Gemälde sollen am 3. Oktober 2020 in Museen der Berliner Museumsinsel beschädigt worden sein. Dies zeigt eine Recherche des Deutschlandfunks und der Wochenzeitung «Die Zeit».
Unbekannte haben eine ölige Flüssigkeit auf die Werke gespritzt. Viele Schätze könnten nachhaltig beschädigt worden sein. «Die Steine, vor allem die Sarkophage und Reliefs, sind zum Teil aus einem so porösen Material, dass Flüssigkeit schnell eindringt. Man weiss nicht, ob sich das rückstandslos entfernen lässt», sagt der Journalist Stefan Koldehoff, der die Vorfälle für den Deutschlandfunk recherchiert hat.
Was sind die Hintergründe? Der 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit. Er war aber auch der Wiedereröffnungstag des Pergamonmuseums nach der Corona-Zwangspause. Das Pergamonmuseum ist eines der vom Anschlag am meisten betroffenen Häuser auf der Berliner Museumsinsel.
Stefan Koldehoff erklärt: «In verschwörungsideologischen-rechten Kreisen in Deutschland gab es immer wieder Aufforderungen, man müsse gegen das Pergamonmuseum vorgehen.»
Etwa vom veganen Koch Attila Hildmann auf den sozialen Medien. Sein Vorwurf: Das Pergamonmuseum sei der Sitz des Satans, Satanisten würden sich dort versammeln, da der Thron des Baal dort stünde.
Hildmann hat Ende August gepostet, dass das Museum demnächst dringend gestürmt werden müsste. Das lässt Vermutungen offen, dass «es politische Hintergründe für diesen Anschlag gibt», so Koldehoff.
Warum erfahren wir erst drei Wochen nach den Asnchlägen davon? Gemäss Stefan Koldehoff argumentierten die Behörden offiziell damit, dass die Ermittlungen im Gang seien. Man wolle überprüfen, ob es weitere Indizien gebe. Das geschehe besser, wenn die Öffentlichkeit nicht beteiligt sei.
Warum haben die Museen geschwiegen? «Für die Berliner Museen ist das eine peinliche Angelegenheit», meint Stefan Koldehoff. Die Häuser würden im Kontext der Kolonialismusdebatte immer mal wieder gefragt, ob sie gewisse Artefakte nicht zurückgeben müssen. Das Argument aus Berlin sei stets: Bei uns sind die Artefakte wenigstens sicher. «Das können sie nun nicht mehr sagen», so Koldehoff.
Ausserdem zeigten sich viele andere Museumsdirektorinnen und Direktoren entsetzt darüber, dass sie nicht früher informiert und gewarnt wurden. Die Täter laufen frei herum und könnten die Tat in anderen Museen wiederholen.
Warum tappt die Polizei in Sachen Täterschaft noch im Dunkeln? In den betroffenen Museen gebe es «deutlich weniger Kameras, als man in so grossen wichtigen Häusern vermutet», erklärt Koldehoff.
Zudem haben nur etwa 600 von 3000 Besucherinnen an diesem Tag online ein Ticket gekauft. Diese kontaktiere man nun und fragt, ob sie irgendwelche Beobachtungen gemacht haben.
Was muss jetzt passieren? «Die Museen in Deutschland, aber sicherlich auch in der Schweiz, müssen finanziell viel besser ausgestattet werden, um auch für die Sicherheit ihrer Stücke sorgen zu können», sagt Koldehoff.
Zudem müsse man umzudenken: Museen werden nicht nur in der Nacht angegriffen, um Goldmünzen oder Gemälde zu stehlen. «Es gibt inzwischen auch politische Angriffe, wenn es missliebige Ausstellungen zu Themen gibt, die bestimmten Leuten nicht passen».