Barriedale, 15 Autominuten ausserhalb von Tasmaniens Hauptstadt Hobart: Schon von Weitem sind riesige weiss-rostbraune Metall-Mauern zu erkennen. Bei der Ankunft irrt man orientierungslos umher und fragt sich: Wo geht's zum über 100 Millionen Dollar teuren «Museum of Old and New Art»?
Lediglich ein Restaurant und eine Lichtinstallation von James Turrell sind zu sehen, dazu Pavillons, Gärten und ein Tennisplatz. Das eigentliche Museum ist mehrere Etagen tief in die Millionen Jahre alten Sandsteinklippen der Halbinsel gebaut.
Verwirrung der Gefühle
Mit einem gläsernen Fahrstuhl fährt man hinab im Dämmerlicht. Dass es sich bei dem Museum um ein nach unten gelegtes Hochhaus handelt, erkennt man erst jetzt. Der unterirdische Gebäudekomplex ist fast doppelt so gross wie das Guggenheim in New York. Das ganze Projekt, vom Gebäude bis zum einzelnen Kunstwerk, ist auf Verwirrung angelegt.
Allzu leicht kann man sich in den unterirdischen Gängen verirren, die Orientierung verlieren: Zickzackförmige Grundrisse mit labyrinthischen Räumen, schiefen Ebenen, spitzwinklig zulaufenden Wänden, die oftmals ein beklemmendes Gefühl der Enge beim Betrachter hinterlassen. Das Gebäude des australischen Architekten Nonda Katsalidis erinnert an Daniel Libeskinds dekonstruktive Bauten.
Eine Wunderkammer
Das Motto im MONA: Vergiss das Zentrum, vermeide den Mittelpunkt, lass dich an den Rand treiben. Überall wird mit nacktem Beton, frei schwebenden Treppenaufgängen und engen Gängen gearbeitet. Weisse Wände und eine neutrale Präsentation, wie in traditionellen Kunstmuseen üblich: Fehlanzeige. Nicht einmal Hinweisschildchen neben den Kunstwerken gibt es.
Die Namen der vertretenen Künstler sind ein Who is Who zeitgenössischer Kunst: Ai Weiwei, Ryoji Ikeda, Charles Ross, Jean Tinguely, Nam June Paik, Christian Boltanski, Gerhard Richter. Eine Wunderkammer von Bekanntem, Sonderbarem und Schönem, sperriger, morbider und obszöner Kunst ist hier versammelt.
Selbstmordattentäter aus Schokolade
Überall lauert die Provokation: Der Belgier Wim Delvoye hat eine Maschine aus Glaskolben und Pumpen geschaffen, die jeden Tag mit dem Essen des oberirdischen Restaurants gefüttert wird, die verdaut und Kot produziert: die Cloaca Professional. Dazu ein Mann, der sich den Rücken hat tätowieren lassen und nun als lebendes Ausstellungsstück auf einem Sockel sitzt.
Ein vorgeschriebener Weg durch das Museum existiert nicht. Es geht vorbei an Vaginaskulpturen, an einen Wasserfall, dessen Tropfen Wörter aus den meist gegoogleten Schlagzeilen des Tages formen oder den Überbleibseln eines Selbstmordattentäters – in Schokolade gegossen.
6000 Jahren Kunstgeschichte
Direkt neben solchen Kunstwerken werden antike Stücke ausgestellt, Statuen aus Rom, ein ägyptischer Sarkophag, Artefakte aus Costa Rica, griechische Münzen. MONA ist eine Performance von Gegenwart und Vergänglichkeit – eine Mischung aus Sex, Provokation und intellektuell-ästhetischem Spiel über einen Zeitraum von 6000 Jahren Kunstgeschichte.
Ist das Museum am Ende der Welt der «Verrücktheit» eines Kunstbesessenen geschuldet? Will da jemand man den Kunstbetrieb fernab der Metropolen New York, Paris, Kassel, Basel oder Hongkong provozieren? Ist MONA sogar ein Antimuseum?
Wohl eher ein einzigartiges Gesamtkunstwerk: 16'000 Kilometer von Europa entfernt, läppische 2'700 von der Antarktis.