Die Idee, das Bargeld abzuschaffen, zirkuliert seit 100 Jahren. Damit die Zentralbanken auf die privaten Vermögenswerte zugreifen könnten, sagt etwa der US-Ökonom Kenneth S. Rogoff. Die Schweizer Bundesverfassung garantiert allerdings das Eigentum.
Der Zugriff des Staates
«Ohne Bargeld hätte man die absolute Kontrolle und könnte stark negative Zinsen einführen», sagt Thorsten Hens, Professor für Finanzkönomie an der Universität Zürich.
«Wenn es nur noch elektronisches Geld gibt, kann man einfach enteignet werden», sagt er. «In Venezuela oder in afrikanischen Staaten sehe ich das als grosse Gefahr.»
In der Schweiz sei es nicht geplant, das Bargeld abzuschaffen, sagt Beat Grossenbacher, Leiter des Bereichs Bargeld bei der Schweizerischen Nationalbank.
Die SNB bevorzuge jedoch kein Zahlungsmittel. «Wir sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Bargeld befriedigt wird und der bargeldlose Zahlungsverkehr reibungslos funktioniert.»
Im Zeichen der Sicherheit
Die Bevölkerung soll frei entscheiden können, wie sie bezahlen will, betont er. Bargeld sei zuverlässig – auch wenn bargeldlose Zahlungssysteme ausfallen. Bargeld gewährleistet die Privatsphäre. Cybersicherheit ist kein Thema.
Eine Abschaffung des Bargelds würde vor allem Menschen beeinträchtigen, die kein Bankkonto hätten oder mit den neuen Technologien nicht vertraut seien, sagt Grossenbacher. Zudem Kinder, «die noch keinen Zugang dazu haben».
Im Norden tickt man anders
Länder wie die Schweiz und Deutschland halten am Bargeld fest, während etwa Schweden und Norwegen weitgehend bargeldlos funktionieren.
Thorsten Hens erklärt das zum einen mit der Politik der Zentralbanken, zum anderen auch kulturell: «In Norwegen oder Schweden kann ich im Internet die Steuererklärung meines Nachbarn anschauen. In der Schweiz legt man mehr Wert auf Privatsphäre und wird länger beim Bargeld bleiben.»
Die möglichen Nutzniesser
Nützen würde das Ende des Bargelds den elektronischen Finanzdienstleistern, sagt Beat Grossenbacher von der SNB. Denn sie verdienen an jeder Transaktion.
Finanzwissenschaftler Thorsten Hens erwähnt zudem Firmen im Verkehrs- und im Konsumgüterbereich: Bargeld für das Busbillett, den Kaffee oder den Schnellimbiss sei aus Sicht der Anbieter ineffizient. «Vielleicht hat man am Ende für so etwas Cash-Karten und zusätzlich doch noch Bargeld.»
Risiken und Nebenwirkungen
Ein häufiges Argument gegen Bargeld ist die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Die Europäische Zentralbank gibt deshalb seit April 2019 keine 500-Euro-Scheine mehr aus.
«Wir haben in der Schweiz keine Hinweise, dass die grossen Notenwerte in dieser Hinsicht ein erhöhtes Risiko darstellen», sagt Beat Grossenbacher. «Das Geldwäscherei-Gesetz und die entsprechende Verordnung beugen dem Missbrauch des Bargelds zu kriminellen Zwecken vor.»
Thorsten Hens merkt an: «Zurzeit sind pro Schweizer Einwohner 4000 Franken in Umlauf. In meinem Portemonnaie finde ich die nicht.» Es müsse also Personen geben, die das Geld horten, die vielleicht gar nicht im Land sind.
«Wahrscheinlich halten viele aus einem Sicherheitsbedürfnis Schweizer Franken», mutmasst Hens. «Auch für die Terroristen ist es umständlich, mit Bargeld Waffen zu bezahlen.»
Elektronischer Batzen?
Dass die Grossmutter ihrem Enkel demnächst den Fünfliber elektronisch überweist oder seine Cash-Karte um diesen Betrag auflädt, ist nicht anzunehmen.
«Die Schweiz wird das letzte Land sein, das das Bargeld abschafft», sagt Thorsten Hens.