Was ist das Problem?
YouTube muss seit einer Woche Kritik einstecken – und hat viele Werbekunden verloren, auch in der Schweiz. Der Grund dafür sind die Recherchen des amerikanischen Bloggers Matt Watson.
In einem YouTube-Video zeigte er, wie der Algorithmus der Plattform Usern mit pädophiler Neigung ständig weitere Videos vorschlägt, die diese Vorliebe bedienen. YouTube schaffe so einen «Softcore-Pädophilenring».
Yvonne Haldimann kennt das Problem. Sie ist Projektleiterin bei der Informationsplattform «Jugend und Medien», die zurzeit ihren Schwerpunkt auf Sexualität im Internet legt.
«Laut der James-Studie 2018 wurden mehr als ein Drittel der Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren im Internet bereits von Fremden mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen», so Haldimann.
Wie neu ist der Vorwurf?
Der aktuelle Vorwurf an YouTube lautet: Die Struktur der Plattform lasse den Missbrauch von Videos nicht nur durchgehen. Sondern sie befördere es gar: Indem sie jedem Video möglichst viele Klicks verschaffen will – unabhängig davon, von wem welcher Inhalt angesehen wird.
Diese Kritik wird immer wieder laut. In den letzten Jahren wurde YouTube zum Beispiel vorgeworfen, Verschwörungstheoretikern oder Extremisten eine Plattform zu bieten. Oder auf seinem Kinderkanal verstörende Videos zuzulassen.
Damals schrieb der Journalist James Bridle in einem Essay : Die Plattform mache sich durch seine Mechanismen zur Komplizin von solchem Missbrauch.
Was macht Youtube dagegen?
Verändert hat sich bisher – ausser einigen gelöschten Profilen – wenig. Zu wenig, findet auch Yvonne Haldimann: «YouTube müsste viel konsequenter Kommentare sichten, die Kommentarfunktion wenn nötig deaktivieren und Nutzer blockieren.»
Es mache den Eindruck, als handle die Plattform immer nur dann, wenn ein Thema gerade in den Medien sei – bis zum nächsten Skandal.
Um das Problem langfristig anzugehen, müsste Youtube viel investieren, etwa Videos, Kommentare und Profile durch Menschen statt maschinell prüfen lassen. Denn oft ist gar nicht leicht zu unterscheiden, ob ein Inhalt anstössig ist oder nicht.
Manche Videoanbieter spielen auch bewusst mit dieser Ambivalenz. Sie laden etwa Videos hoch, die erstmal harmlos aussehen. Im Kontext aber wird rasch klar, welche Klientel sie erreichen sollen.
Was also tun?
«Wer sich belästigt fühlt, kann die Kommentarfunktion deaktivieren – und allenfalls zur Polizei gehen», sagt Martin Steiger, Rechtsexperte für Digitales, gegenüber «10vor10»: «Die Chance, die Täter zu erwischen, sind durchaus intakt.»
Wichtig sei, mit Kinder und Jugendlichen über das Thema zu sprechen, sagt die Medienpädagogin Yvonne Haldimann: «Eltern sollten sie bei ihren ersten Schritten im Netz begleiten. Sich selbst mit neuen Apps beschäftigen: Was teilt man da? Was sieht man da? Und sie sollten ihren Kindern auch auf die Risiken hinweisen: Dass es eben Menschen gibt, die gewisse Videos in einem ganz anderen Licht betrachten könnten.»
Ständige Kontrolle sei aber keine Lösung, betont Haldimann. Doch ein Bewusstsein zu schaffen, ist zumindest ein erster Schritt. Zumal YouTube selbst sich bisher kaum bewegt.