Viele Veranstalter haben bereits vor Wochen begonnen, DJ-Sets im Internet zu übertragen. Denn ihre Communities dürsten nach Musik und Tanz, gerade jetzt.
Die Partyreihe «Kweer Ball», die sonst von einem Zürcher Club zum nächsten zieht, zeigt sich besonders innovativ: Die Veranstalter haben zusätzlich zur gestreamten DJ-Musik einen Videochat eingerichtet. Bei der ersten Ausgabe sind rund 150 Personen mit dabei, und es hätte durchaus «Platz» für mehr. In dieser Grössenordnung ist das ein Novum.
Spass trotz fehlendem Körperkontakt
In den Kacheln des Videochats sind die Teilnehmenden zu sehen: Alle in ihren Wohnungen, in garantiert sicherer Distanz zueinander. Männer, Frauen, Dragqueens, Paare, ja ganze WGs feiern mit. Die meisten haben sich chic gemacht, manche haben extra ihr Wohnzimmer umdekoriert. Alle wippen im Takt zur Musik, viele tanzen.
Nur schon das Mitwippen verbreitet erstaunlich viel Stimmung. Das Zuschauen der Sich-in-Ekstase-Tanzenden sowieso. Man ist mit Leib und Seele dabei und fühlt sich verbunden.
Es ist ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern aus der Zürcher Partyszene – aber es gibt auch viele internationale Gäste: Menschen aus Wien, Paris, Montréal oder São Paulo sind ebenfalls zugeschaltet.
Wer ist die beste Dragqueen?
Eine Spezialität des Zürcher «Kweer Ball» sind Performances von Travestie-Künstlerinnen und Künstlern. Diese Auftritte fehlen natürlich auch in der virtuellen Ausgabe nicht: Während eine etwas herbere Dragqueen Playback einen Popsong singt, gibt eine andere, besonders frivole Dragqueen gar Mozarts «Königin der Nacht».
Diese Videoclips der Dragqueens sind vorproduziert, von einer Fachjury beurteilt, und werden nun in den Livestream eingespielt. Die Zuschauenden zu Hause applaudieren im stummgeschalteten Video-Chat, man sieht sie jubeln und freudig lachen. Sie schreiben Kommentare und geben ihre Stimme für ihre Favoritin ab.
Nach dem Online-Voting steht die Siegerin fest und gewinnt einen Pokal. Anschliessend geht’s weiter mit der Party: Man beginnt wieder zu tanzen, jemand trinkt einen Cocktail, ein Paar küsst sich.
Kreative LGBTQ-Community
Einmal mehr leistet die LGBTQ-Community mit diesem innovativen Party-Format Pionierarbeit. Bereits früher setzte sie in der Clubkultur wegweisende Akzente: Man denke an das legendäre «Studio 54» oder an den Berliner Techno-Tempel «Berghain», der ursprünglich auch ein Gay-Club war.
Vielleicht gibt die LGBTQ-Gemeinschaft auch jetzt während der Corona-Pandemie wieder der gesamten Clubszene einen entscheidenden Impuls.
Der Partystream mit parallelem Videochat ist unbestritten eine temporäre Notlösung. Aber eine, die in vielen Aspekten mit einem Clubbesuch vergleichbar ist und durchaus Euphorie auslösen kann.
Weltweites Partyhopping dank Laptop
Der virtuelle «Kweer Ball» setzt auf Bezahlung nach Gutdünken. Es wird empfohlen, einen Beitrag in der Höhe eines normalen Clubeintritts zu überweisen. Verbindlichere Bezahlmodelle wären sicherlich machbar.
Darüber hinaus könnten solche virtuellen Clubnächte künftig internationales Partyhopping ermöglichen. Man könnte sich unkompliziert in eine Clubnacht und den zugehörigen Videochat in einer anderen Stadt einloggen, um ein paar Stunden und Klicks später auf einem anderen Kontinent weiterzufeiern.