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Philosophie-Wettbewerb Wie Kinder sich ihre Wunschwelt ausmalen

Ein Handschlag, ein grünes Paradies und eine Wolke, die Viren aufsaugt: Hier sind die Gewinner des Philosophie-Wettbewerbs von SRF.

Knapp 300 Kinder und Jugendliche haben am Philosophie-Wettbewerb teilgenommen, den SRF anlässlich der Schulschliessungen veranstaltet hat. Die Resultate sind kreativ, scharfsinnig und feinfühlig.

Die 6 bis 9-Jährigen zeichneten und bastelten ihre persönliche Wunschwelt. Die 10 bis 14-Jährigen schrieben einen Text zur Frage: Wie kann ich wissen, dass es die Welt wirklich gibt und dass sie nicht nur in meinem Kopf existiert?

Die beiden Philosophen Barbara Bleisch und Yves Bossart von der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie» haben die knapp 300 Texte, Bilder und Bastelarbeiten begutachtet.

Das Gewinnerbild stammt vom 10-jährigen Linus Mühlebach aus Luzern. Er zeichnete eine «Stadt der Gärten» im Grossformat, mit unzähligen liebevollen Details. Die Menschen in Linus’ Wunsch-Welt sind allesamt naturliebend und verbringen ihre Zeit meist in Gärten oder Kaffees.

eine Zeichnung eines Handschlags
Legende: Nina Moser, 11 Jahre, aus Knonau SRF

Auch auf der zweitplatzierten Zeichnung reichen sich Natur und Mensch die Hand. Die 10-jährige Nina Moser aus Knonau zeichnete einen Händedruck: auf der einen Seite der Mensch, auf der anderen Seite die Natur, symbolisiert durch die vier Elemente.

ein farbiges lila Haus mit Kindern
Legende: Malin Baumgartner, 9 Jahre, aus Frutigen SRF

Den dritten Platz belegt die Zeichnung von Malin Baumgartner aus Frutigen. Bei ihr tanzen die Kinder bei Sonnenschein oder liegen in der Hängematte. Eine Zauber-Wolke saugt alle Viren und Waffen dieser Welt auf und steckt sie in eine Recycling-Kiste, die aus den Waffen Blumen macht. Eine wahre Traumwelt.

Ich schreibe, also bin ich

Auch im Schreibwettbewerb der 10 bis 14-Jährigen ging es um Traumwelten: «Wie kann ich wissen, dass es die Welt wirklich gibt und dass sie nicht nur in meinem Kopf existiert?» Ein Klassiker der Philosophie.

Als Anregung sollte das philosophische Gedankenexperiment «Gehirn im Tank» dienen. Dieses Gedankenexperiment legt nahe, die ganze Welt könnte eine Täuschung unseres Gehirns sein.

Gewinnerin des Schreibwettbewerbs ist die 14-jährige Bernerin Helena Czuczor. Sie schreibt: «Wir können uns ziemlich sicher sein, dass die Welt als Ganzes nicht so existiert, wie wir sie wahrnehmen. Denn allein schon Farben nehmen einige Menschen etwas anders wahr als andere.»

«Ist was?» Aufsatz von Helena Czuczor

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Was spricht dafür, dass die Welt ist und auch noch so ähnlich ist, wie wir sie wahrnehmen? Eigentlich spricht alles dafür, nur einen Beweis dafür finden können wir nicht so einfach.

Daran zu zweifeln, dass etwas existiert, erscheint nicht nur auf den ersten Blick unsinnig, sondern auch wenn wir uns nur einbilden, dass wir existieren, muss es jemanden oder etwas geben, der oder das es sich einbildet. Und auch wenn sich dieses etwas nur einbildet, dass es sich etwas einbildet, muss sich wiederum jemand das einbilden. So könnte man das in die Unendlichkeit fortsetzen.

Auch die Theorie, dass unser Gehirn, angeschlossen an eine Maschine, in einer Nährlösung liegt und von einem Wissenschaftler mit Informationen und Impulsen versorgt wird, bringt uns nicht weiter, da es ja dann den Wissenschaftler, die Maschine und unser Gehirn geben muss. Und diese Welt könnten wir ja dann wohl kaum besser erklären, als die, in der wir glauben zu leben. Ganz nebenbei, wäre es ziemlich schwierig, so eine komplizierte Maschine herzustellen, die dann auch noch so gut funktioniert.

Wenn die Welt so existiert, wie wir sie wahrnehmen, ist die Vorstellung mit dem Gehirn im Tank im Prinzip korrekt. Denn unser Gehirn liegt tatsächlich in einer Lösung und wird von einer Art Maschine, die wir Körper nennen, mit elektrischen Impulsen versorgt. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass auch unser Gehirn Körper ist.

Wir können uns ziemlich sicher sein, dass die Welt als Ganzes nicht so existiert, wie wir sie wahrnehmen. Denn allein schon Farben nehmen einige Menschen etwas anders wahr, als andere. Und nicht allein, wenn jemand farbenblind ist, sondern, wenn der Himmel am Abend für den einen etwas rötlicher erscheint und für den anderen etwas mehr pink. Oder Ratten zum Beispiel sehen die Welt ohne Farbe, also nur schwarz weiss und grau. Wenn wir uns jetzt mit einer Ratte unterhalten könnten, würden wir sie nicht davon überzeugen können, dass der Himmel meistens blau ist. Sie weiss ja nicht, was blau ist. Sie wird aber ausserdem der Meinung sein, dass alles schwarz, weiss und grau ist. Natürlich sind wir uns sehr sicher, warum sich die Wahrnehmung der Ratte so sehr von unserer unterscheidet, aber wir können nicht sagen, welche richtig oder falsch ist. Richtig oder falsch gibt es in dem Sinne gar nicht. Aber wir können uns ziemlich sicher sein, dass die Welt existiert, nur sieht sie eben jeder ein kleines bisschen anders. Jedoch haben wir uns darauf geeinigt, dass der Himmel blau, nämlich genau himmelblau ist.

Wir können uns deshalb sicher sein, dass wir sind, weil wir nur an fast allem zweifeln können: am Sehen, am Hören, am Spüren, aber nicht daran, dass wir gerade Denken beziehungsweise Zweifeln. Denn wie kann man daran zweifeln, dass man zweifelt? Allein dann würde man ja schon zweifeln. Und da Zweifeln ein Denkvorgang ist, heisst das, dass wir, wenn wir zweifeln, denken. Und wenn wir denken, muss da auch jemand oder etwas sein, der oder das denkt. Heutzutage könnte es zwar auch ein Computer sein, der über künstliche Intelligenz verfügt, aber das würde ja eigentlich auch keinen so grossen Unterschied machen. Denn im Grunde sind wir ja ein hochentwickelter „Computer der Natur“ mit der besonderen Fähigkeit, bewusst zu sein. Das heisst, das wir uns im Gegensatz zu einem „richtigen“ Computer bewusst sind, dass wir sind.

Und diese Gewissheit setzen wir mit einem beziehungsweise unserem Körper in Verbindung, der ein Teil von uns und gleichzeitig ein Teil der Welt ist. Da es etwas geben muss, was denkt und deshalb auch wahrnimmt, ist es das naheliegendste, dass dies unser Körper ist. Und damit etwas wahrgenommen werden kann, muss es etwas geben, was uns dazu bringt dieses etwas wahrzunehmen. Wenn wir uns dann noch mit anderen Gehirnen darüber austauschen, wie die Welt funktioniert, fühlen wir uns noch sicherer, dass es sie gibt. Sicher sein können wir uns zwar nie, ob wir uns wirklich mit anderen denkenden Gehirnen unterhalten, aber es ist noch ein weiterer Hinweis, der dafür spricht, dass die Welt so ähnlich existiert, wie wir sie wahrnehmen und gleichzeitig ein Hinweis dafür, dass es die Welt ausserhalb unseres Bewusstseins gibt.

Wir haben keinen Hinweis darauf, dass die Welt ganz anders existiert, als wir sie wahrnehmen, aber unendlich viele darauf, dass sie so ähnlich ist, wie wir sie wahrnehmen. Letztendlich ist eine andere Welt im Moment nur ein sehr spannendes Gedankenexperiment, was wir nicht machen könnten, wenn wir die Welt bewiesen hätten.

Obwohl es keine richtige Sichtweise der Welt gibt, dürfen wir davon ausgehen, dass wir selbst wirklich sind, schreibt Helena Czuczor: «Wir können uns deshalb sicher sein, dass wir sind, weil wir an fast allem zweifeln können: am Sehen, am Hören, am Spüren, aber nicht daran, dass wir gerade denken beziehungsweise zweifeln. Denn wie kann man daran zweifeln, dass man zweifelt?»

Aufsatz von Sumeya Eren

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Wie kann ich wissen, dass es die Welt wirklich gibt und dass sie nicht nur in meinem Kopf existiert? Sind die Stunden, Tage, Jahre unseres Lebens, die wir in Kommunikation mit anderen Menschen verbringen Realität? Entsprechen die Dinge, die wir zu jeder Zeit mit unseren Sinnen wahrnehmen, unserer doch so bekannten Außenwelt oder glauben wir dies nur? So manch einer wird sich diese Fragen schon gestellt haben, auch wenn sich jeder etwas anderes darunter vorstellt. So wird manchmal an eine futuristische Science-Fiction Version gedacht, in der man ein Roboter ist: eine perfekte Kopie eines funktionierenden menschlichen Organismus, mitsamt Denkfähigkeit. Oder an die ähnliche „Gehirn im Tank“–Version, aus dem Filosofix–Video, in der unser Gehirn von unserem früheren Körper getrennt lebt und nun ganz allein das ausmacht, was wir als „Ich“ definieren. Hochentwickelte Technik ermöglicht es, dem Hirn scheinbar von aussen kommende Reize und Wahrnehmungen zu suggerieren, sodass dieses (also Ich) denkt, es lebe das Leben normal weiter, und sei noch mit einem Körper verbunden.

Noch eine andere Theorie, über die es lohnenswert wäre, nachzudenken, ist die, dass es keine Materie gibt, also weder uns noch unsere Welt. Wir sind alle nur Gedankenströme, Seelen, die zusammen eine Umgebung aufbauen, in der wir zu leben glauben. Diese drei Ideen werde ich nun ein wenig weiterspinnen, auch wenn es natürlich noch viel mehr zu diesem Titel zu sagen gäbe. Zur ersten davon, der Science-Fiction-Version, kann man schon sagen, dass wir in physischer Weise existent sind. Doch sind wir dies auch, was den Geist betrifft? Wir sind eine Nachbildung, also künstlich. Doch wir fällen dabei trotzdem eigene Entscheidungen, haben eine eigene Meinung und Gedanken. Wenn man also von der Aussage „Ich denke, also bin ich“ ausgeht, sind wir in diesem Zustand auch psychisch existent. Eine weitere Überlegung zu dieser Theorie wäre folgende: Sind wir die einzige Person, die nicht echt ist, oder gibt es mehrere, ja sogar unzählige menschenartige Roboter? Falls ja, werden wir überwacht? Weiss man über uns Bescheid? Falls wir wirklich die einzige so hochentwickelte Intelligenz wären, wer hat sie dann entwickelt? Sind wir ein Experiment, von dem alle unsere Mitmenschen wissen, ja sogar unsere Familie? Und angenommen es wäre tatsächlich so, dass man zu einer so komplexen Nachbildung fähig ist, müsste man dann nicht auch in anderen Bereichen der Wissenschaft viel weiter sein? Vielleicht ist man das auch, nur verschweigt man es uns. Andererseits könnte man diese Fortschritte in das Leben der Menschen miteinbringen, und so vieles verbessern. Es wäre unvernünftig dies nur wegen eines Roboters, den man jederzeit wieder auslöschen kann, nicht zu tun. Wie man sieht, wirft diese Überlegung zahlreiche Fragen auf, auf die es keine spezifischen Antworten gibt. So wird es auch bei der zweiten Idee sein. Das Gehirn im Tank.

Wir sind ein Gehirn, ein einzelnes weiches, nicht allzu grosses Stück Mensch, das jedoch fähig ist, den restlichen Körper zu steuern, Dinge wahrzunehmen und sich Gedanken zu machen. Doch nun sind wir in einem Tank, uns werden die Signale, die uns beeinflussen, künstlich zugefügt und wir wissen nicht einmal etwas davon. Und wieder beginnen wir mit der einen Frage: Sind wir in diesem Zustand existent? Denn wir denken ja schliesslich. Bei der Roboter–Theorie sind wir davon ausgegangen, dass die Gedanken, die wir haben, unsere eigenen sind (obwohl man dies auch nicht mit Sicherheit wissen kann). Im Video wird gezeigt, dass wir nicht mehr „Ich“ wären, denn wenn uns unsere Wahrnehmung vorgegaukelt wird, gilt dann für die Gedanken dasselbe? Wenn es so wäre, wer würde die künstliche Realität, in der wir leben, entwerfen und designen? Vielleicht gäbe es Berufe, in denen man sich um genau solche Dinge kümmert. Und wieder: Es wäre eine riesige technische Leistung, ein Hirn am Leben zu halten und dabei die Nervenbahnen zu täuschen. Wir würden es wissen, wenn wir in einer so modernen Welt leben würden und dann Verdacht schöpfen. Dazu folgende Theorie: Wissenschaftler würden unser Hirn so „umprogrammieren“, dass wir in der Vergangenheit leben, das heisst, ich denke, ich lebe ein normales Leben im Jahr 2020, dabei ist alles, was noch von mir übrig ist, ein Gehirn. Und dieses schwimmt im Jahre 2234 in einem Gefäss voll Nährlösung. Und wieder: Lauter unbeantwortete Fragen, über die es aber spannend ist, nachzudenken.

Was wäre, wenn man das Ganze von einer nicht-wissenschaftlichen Ebene betrachten würde? Wie zum Beispiel in der letzten der drei Überlegungen. In dieser steht die Denkfähigkeit im Mittelpunkt. Manche Menschen glauben an die Seele und manche glauben, dass diese nach dem Tod weiterlebt. Was aber, wenn unsere Seele gar nie mit einem Körper verbunden war? Was, wenn wir zum Denken gar kein Hirn benötigen? Vielleicht gibt es keine Materie, keine Erde, keine Körper. Vielleicht existiert die ganze Welt nur in unseren Gedanken. Doch, selbst wenn dem so wäre, wäre sie dann wirklich unecht? Denn wir sehen unsere Umgebung, fühlen sie, sie ist unsere Realität. Für uns ist sie echt. Außerdem: Ist nicht jeder Materie ein Gedanke vorausgegangen? In den zwei ersten Beispielen sind es die Menschen gewesen, die unser Schicksal in den Händen gehalten haben. Und eine weitere Frage, die den meisten bekannt vorkommen wird, ist: Wer ist es beim dritten gewesen und wessen Gedanke ist uns vorangegangen?

Dies waren drei spannende Gedankenexperimente zum Thema „Welt in meinem Kopf“. Und egal, ob man sich seiner geistigen Freiheit sicher ist oder nicht im Leben, die Hauptsache ist, man ist glücklich damit.

Dieses Argument findet sich bereits beim französischen Philosophen René Descartes, von dem die Aussage stammt: Ich denke, also bin ich.

Aufsatz von Timon Stalder

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Es könnte sein, dass die Welt wirklich nur ein programmierter Traum ist, der von Geburt an bis zum Tod dauert. Das wäre so ähnlich, wie wenn wir in einer Nacht einen Traum haben, aber dieser Traum wäre so programmiert, dass er das ganze Leben dauern würde. Aber anderseits ist das nicht ganz logisch.

Wieso würde man darauf kommen, in unserem Gehirn zum Beispiel einen Baum zu programmieren? Man musste das ja vorher irgendwo gesehen haben, weil man sonst nicht darauf kommt, einen Baum zu programmieren. Deshalb muss die Welt existieren und kann nicht nur ein Traum sein.

Im Film haben Sie mit einer Blume gezeigt, dass man sie in unserem Gehirn programmieren könnte, ohne dass man die Blume gesehen hat. Man müsste sich dann die Blume vorstellen, ohne dass sie existiert. Und genau deshalb müsste es ja die Welt geben, weil man sonst keine Ahnung hätte, was eine Blume ist. Wenn man aber trotzdem annimmt, wir wären programmiert, warum würde man dann in unserem Gehirn programmieren, dass wir Menschen auf die Idee kommen, dass wir programmiert sind.

Denn logisch wäre dann, dass wir nicht einmal auf die Idee kommen würden, dass wir programmiert sind. Meiner Meinung nach ist es deshalb nicht logisch, dass wir programmiert sind. Und wenn doch, wer würde uns programmieren und was wäre das Ziel und welchen Zweck sollten wir dann erfüllen.

Es würde ja wenig Sinn machen, uns zu programmieren, damit wir einfach ein normales Leben führen, arbeiten gehen und Ferien machen. Wenn diese Wesen, die uns programmieren, etwas Gutes mit uns vorhaben, warum gibt es dann noch so viel Schlechtes in „meiner“ Welt? Oder wenn sie etwas Schlechtes vorhätten, warum würde es dann noch so viel Gutes geben? Ich denke am Ende müsste es deshalb einen Ursprung geben, damit diese Programmierer überhaupt entstehen konnten.

Auch Sumeya Eren, die Zweitplatzierte, und Timon Stalder, der Drittplatzierte knüpfen in Ihren Texten an die Gedanken grosser Philosophen an. Hut ab! Einmal mehr zeigt sich: Kinder sind die wahren Philosophen.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 5.4.2020, 11 Uhr

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