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100 Jahre Ruedi Walter Ruedi Walter, ein Mitglied meiner Familie

«Ein Volksschauspieler ist einer, der dem Volk gehört», sagte Ruedi Walter einmal. Es gefiel ihm bei den Leuten so beliebt zu sein – obwohl er es nie zugab. Gleichzeitig setzte ihm die Bezeichnung auch Grenzen. Autor Thomas Lüthi erinnert sich an den Schweizer Schauspieler und Kabarattist.

100 Jahre Ruedi Walter

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Wer über Ruedi Walter schreibt, kommt um den abgegriffenen Begriff «Volksschauspieler» nicht herum. «Volksschauspieler ist einer, der dem Volk gehört», sagte Ruedi Walter einmal.

Er mochte den Begriff, hätte sich Journalisten gegenüber aber lieber die Zunge abgebissen, als das zuzugeben. Ihnen gegenüber konnte er sich garstig verhalten.

Ein Interview mit ihm war dann so erfolgreich, wie einen Pudding an die Wand zu nageln. Bei «normalen» Fans war er liebenswürdig und zugänglich.

Zu seinen Lebzeiten mussten Promis auch nicht für Selfies herhalten. Der volatile Walter wäre wohl spätestens bei der dritten entsprechenden Bitte explodiert.

Noch voll im Saft

«Volksschauspieler» ist ein tückisches Label für Kulturjournalisten und Redaktoren. Denn um wirklich erfassen zu können, was es bedeutet, muss man die professionelle Optik abstreifen.

Man muss sich die Zeit vergegenwärtigen, als man selber noch kein Medienschaffender und Ruedi Walter noch voll im Saft war.

Jetzt online

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«Jässodu – 100 Jahre Ruedi Walter» bereits online schauen oder am 25.12.2016 um 18:10 Uhr auf SRF 1.

In helvetischem Hauchdeutsch

Ab Ende der 60er- und während den ganzen 70er-Jahren war er für den Schreibenden omnipräsent. Er besprach meine Märliplatten, trat im Schulfernsehen auf, schaute auf Tournee bei uns im Städtchen vorbei.

Am Samstag trat er mit Margrit Rainer in Boulevardstücken oder im «Teleboy» auf, am Sonntag in Franz Schnyder-Idyllen – und an den Vorabenden gab er den Männdli in helvetisch eingefärbtem Hauchdeutsch.

Ruedi Walter in der Hauptrolle des Bäuerlein Heiri aus Hausen in der «Kleinen Niederdorfoper» von Paul Burkhard, 1968.
Legende: Ruedi Walter in der Hauptrolle des Bäuerlein Heiri aus Hausen in der «Kleinen Niederdorfoper» von Paul Burkhard, 1968. Keystone

Den Vater begleitete er auf der Fahrt ins Büro auf Radio Beromünster mit selbstgeschriebenen kabarettistischen Preziosen. Und die Mutter blätterte beim Coiffeurbesuch durch Schweizer Illustrierten, wo sie auf Heimgeschichten mit dem Mimen stiess.

Der Fernseher als Kaminfeuer

Ruedi Walter war einmal integraler Bestandteil des Alltags. Er, seine Kollegen und Kolleginnen aus dieser grossen Generation des Schweizer Boulevards gehörten zur erweiterten Familie. Damals fungierte Fernsehen noch als vereinigendes Kaminfeuer.

Weil es nur zwei Kanäle gab, kam es auch zu keinen Diskussionen welches Brennmaterial benutzt werden sollte. Tanniges oder Buechiges? Schweizer Fernsehen mit Ruedi Walter oder ARD mit Rudi Carrell?

Thementag bei SRF 1

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Am 25.12.2016 zeigt SRF 1 im Rahmen von «100 Jahre Ruedi Walter»:

  • 13:10 Uhr «Bingo» (Spielfilm, 1990)
  • 14:40 Uhr «Die kleine Niederdorfoper» (restaurierte Fassung, 1978)
  • 17:10 Uhr «100 Jahre Ruedi Walter: Comedy-Special»
  • 18.10 Uhr DOK «Jässodu» von Felice Zenoni (2016)
  • 18.45 Uhr «Spalebärg 77a» (Kurzspielfilm, 1957)

Wer sich bewährte, blieb

Fernsehen und Radio fungierten damals noch nicht so als Durchlauferhitzer wie heute. Wer sich bewährt hatte, blieb. Es war ein Glücksfall für das Schweizer Fernsehen und Radio, dass für fiktionale Formate und Unterhaltungssendungen ein Talentreservoir zur Verfügung stand, wie vor- und nachher nie mehr.

Speziell das Fernsehen erlebte dank Ruedi Walter, Margrit Rainer, Jörg Schneider und Co. Anfang der 70er-Jahre einen Professionalierungsschub sondergleichen.

Hochleistung dank Ruedi Walter

Nicht alles was Ruedi Walter berührte, wurde zu televisionärem Gold. Mein Gott, hat dieser Mann viel Schmarren gemacht! Kann sich jemand an den Pointenwettbewerb vom «Teleboy» erinnern? Selbst sein darstellerisches Genie konnte diese Vorlagen nicht von ihrer Mittelmässigkeit befreien. Spass machte der «Teleboy» mit dem Pointenwettbewerb trotzdem.

Er konnte umgekehrt Autoren zu Höchstleistungen inspirieren. Hans Gmür war nach «Bibi Balu» nie mehr so gut. Und auch wenn der «Niederdorfoper» die Leichtfüssigkeit englischer oder französischer Farcen abgeht, so haben die Herren Wollenberger/Lesch/Rüeger/Burkhard mit Ruedi Walter als Heiri im Kopf ein Meisterwerk geschrieben.

Pure Glückseligkeit

Bei der zweiten TV-Aufzeichnung 1978 befanden sich Walter und der Rest der grossen Generation des Schweizer Boulevards im Zenit ihres Könnens.

Diese «Niederdorfoper» ist punkto Kunstfertigkeit der «Citizen Kane» der Deutschschweizer TV-Unterhaltung. Und unser «Rosebud» ist Heiris Jauchzer «Jässodu».

Sein Auftritt unter tosendem Applaus des Publikums ist ein Moment der puren Glückseligkeit. Klosserzeugend.

Zum Autor

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Thomas Lüthi ist Filmredaktor bei SRF.

Auch heute noch und jedes Mal. Ganz egal ob Redaktor oder nicht.

Sendung: «Jässodu – 100 Jahre Ruedi Walter» online oder am 25.12.2016 um 18:10 Uhr auf SRF 1.

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