Am Dienstag, den 4. Mai 1943, erhält der Vorsteher der Kantonalen Fremdenpolizei Basel, Fritz Jenny, Post vom Königlich-Italienischen Generalkonsul der Stadt. Ohne Anrede wird ihm darin mitgeteilt, dass der italienische Staatsangehörige Kapitän Francesco Pietro Giuntini auf seiner Segelyacht DJINN III soeben im Basler Rheinhafen eingelaufen sei.
Was weder Fritz Jenny noch Francesco Giuntini ahnen: Der stolze Zweimaster und sein Kapitän, seines Zeichens Marchese von San Minato, Priore von Mon Serrat, Kommandant der italienischen Kriegsmarine und ehemaliger türkischer Konsul in Fiume, werden nie mehr auf den Weltmeeren kreuzen – ihre letzte Ruhe sollten sie in Basel-Kleinhüningen, im Hafenbecken II finden.
Es sollte in die Tropen gehen
Ursprünglich war der Kapitän-Lieutenant der italienischen Kriegsmarine im Frühjahr 1940 von Amsterdam aus in See gestochen, um das Mündungsgebiet des venezolanischen Orinoco zu erkunden. Seine Expedition sollte zwei Jahre dauern und mögliche Ansiedlungen für Auswanderer aus Europa erforschen. Sein Schiff, eine wendige Zwei-Mast-Ketsch, war von einer holländischen Werft für diese Reise tropenfest gemacht worden.
Der Kapitän selbst hat die Fahrt bis ins kleinste Detail vorbereitet und eine Crew rekrutiert: Einen Kartographen, einen Arzt, einen Geologen, zwei Matrosen und eine junge Fotografin, die die Expedition mit der Filmkamera dokumentieren sollte. Doch die DJINN III wird ihr Ziel nie erreichen.
Der Krieg kommt dem Kapitän in die Quere
Am 10. Mai 1940 erklärt Italien England den Krieg und Kapitän Giuntini muss auf Höhe der Kleinen Antillen – auf Anweisung seines Marineministeriums – umkehren. Es bleibt ihm nur die Rückkehr nach Holland, denn die Durchfahrt ins Mittelmeer ist durch die britische Blockade von Gibraltar für ihn versperrt.
In Amsterdam empfängt ihn die deutsche Besatzungsmacht. Seine Crew geht von Bord, nur die Filmfrau, Leonore Bodenmann, eine abenteuerlustige, 22-jährige Schweizerin, bleibt mit ihm auf dem Schiff.
Es beginnt eine lange Wartezeit, in der der Sizilianer Giuntini alles versucht, um mit seiner DJINN III seinen Heimathafen Catania anzulaufen. Doch die Seewege sind vermint, alle Häfen sind Kriegsgebiet.
Es geht rheinaufwärts!
Erst Anfang 1943 erhält er vom deutschen Hafenkommando die Genehmigung, mit seiner Ketsch den Rhein hochzusegeln, um dann bei Strassburg in den Rhein-Rhone-Kanal einzubiegen, der ihn zum Mittelmeer führen soll.
Giuntini, ein Haudegen und mit allen Wassern gewaschener Kapitän, ergreift die Gelegenheit beim Schopf und macht sich bereit, das Wagnis einzugehen. Mit dabei – als einzige Begleitung – die junge Leonore Bodenmann; sie ist Matrose, Schiffsköchin und Geliebte.
Eine gefährliche Fahrt
Die Rheinfahrt wird zum «Himmelfahrtskommando». Die Rheinschiffe werden Tag und Nacht der Royal Air Force bombardiert. Drei Mal entkommt die DJINN III den Bombardements nur mit knapper Not.
Endlich in Strassburg angelangt, konfisziert das Hafenamt alle Navigationsinstrumente, seine gesamte Barschaft und das Logbuch der DJINN III. Wieder droht ein erzwungener Aufenthalt, denn der Verbindungskanal ist wegen Bombenschäden an etlichen Schleusenwerken nicht mehr frei passierbar.
In dieser Not entschliessen sich der Kapitän und seine Gefährtin die kurze Fahrt in Richtung Basel aufzunehmen. Noch verkehren die Versorgungs-Schleppzüge der Schweizer Reedereien. Der Weg scheint frei.
Ein schwieriger Fall für die Basler Behörden
So kommt es, dass der Basler Hafendirektor Alfred Schaller am 4. Mai 1943 in sein Journalbuch eintragen lässt: «Ankunft der italienischen Hochseeyacht DJINN III mit zwei Mann Besatzung im Hafenbecken II».
Wenige Tage nach seiner Ankunft gerät Kapitän Giuntini ins Fadenkreuz der Kantonalen Fremdenpolizei und des Basler Hafenamts.
Dass Giuntini an Bord seiner unter italienischen Flagge segelnden Yacht für sich und seine Besatzung das internationale Seerecht beansprucht, überfordert die Behörden. So einen Fall hatte es in schweizerischen Gewässern noch nie gegeben! Ein langanhaltender Rechtsstreit bahnt sich an.
Ein beliebter Exote
Besonders die Tatsache, dass der hartnäckige «Gentleman der sieben Weltmeere» vor allen Augen mit seiner Geliebten im Konkubinat lebt, lässt den Hafendirektor Schaller nicht zur Ruhe kommen.
Mittlerweile ist der Kapitän, der gerne in seiner goldbetressten Uniform durch die Stadt stolziert, in Basel zu exotischer Bekanntheit gelangt. Er erlangt Berühmtheit, als ihn die Schweizerische Reederei AG 1944 als Navigationslehrer für ihre jungen Seeoffiziere anstellt, denn er ist im Krieg der einzige in der Schweiz lebende Kapitän mit Hochsee-Patent. Die Leute mögen ihn, während die Behörden alles versuchen, um ihn zu vertreiben.
Giuntini widersteht allen Schikanen und verlässt sein Schiff auch dann nicht, als die Basler Hafenbecken nach der Bombardierung des Stauwehrs von Kembs am 7. Oktober 1944 leerlaufen und sein Schiff auf Grund geht.
Letzte Ruhe im Hörnli
Erst seine zunehmenden Schulden, der langsame Zerfall seiner DJINN III und die Verbitterung darüber, statt auf dem Orinoco zu kreuzen im Hafenbecken eines Binnengewässers zu vermodern, schwächen seine Gesundheit.
Am 12. Juli 1947 verstirbt Pietro Francesco Giuntini an Bord seines geliebten Schiffes. Seine Gefährtin lässt ihn auf dem Basler Friedhof am Hörnli beisetzen. Die DJINN III, die einst stolz die Weltmeere befahren hatte, wird 1948 von einem Altstoffhändler für 1400 Franken ersteigert und dann demontiert.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Passage, 12.1.2018, 20.00 Uhr.