Wenn ein Bibelquiz nach der Telefonnummer Gottes fragt, lautet die Antwort 50 15. Gemeint ist Psalm 50, Vers 15: «Rufe mich an in der Not, so will ich Dich erretten».
Gegenwärtig wählen Menschen in der Schweiz aber verstärkt die 143, die Nummer der «Dargebotenen Hand». Dort nimmt auch immer jemand ab.
Anspruchsvolles Zuhören
Sabine Basler, die Leiterin der «Dargebotenen Hand», verstärkt aktuell ihr Team aus Ehrenamtlichen. Allerdings setzt sie auf Ehemalige und auf Pensenerhöhungen ihrer Telefonberaterinnen.
Denn die Aufgabe ist anspruchsvoll. Spontane Hilfsangebote ungeschulter Freiwilliger muss sie ablehnen.
Auf den Mangel an Seelsorge-Kompetenz am Telefon reagiert die Theologische Fakultät der Universität Bern jetzt mit einem Spezial-Kurs zum Thema: «Teleseelsorge». Im Fachjargon heisst sie auch «Fernseelsorge» oder «virtuelle Seelsorge».
Seelsorge goes digital
Die Berner Theologin Isabelle Noth ist federführend im Bereich Fernseelsorge. Ihr neues Weiterbildungsangebot fokussiert nicht allein auf klassische Telefonseelsorge.
Es transferiert vielmehr die jahrzehntelangen Erfahrungen mit professioneller Telefonseelsorge ins digitale Zeitalter. Die Videotelefonie eröffne der Fernseelsorge ganz neue Möglichkeiten, weiss Noth. Mimik und Gestik könnten nun stärker in die «Seelsorge auf Distanz» einbezogen werden.
Seelsorge auf «Ohrenhöhe»
Aber auch fürs klassische Telefonieren gilt: Lächeln, Bewegung und Gesten sind Mittel gelingender Kommunikation. Wenn Menschen sich schon nicht auf Augenhöhe begegnen können, dann eben auf «Ohrenhöhe», meint Inselspital-Pfarrer Thomas Wild.
Er verteilt Gesprächsleitfäden für schwierige Telefonate. Hier gibt er Seelsorgenden auch den Rat, einen stress- und störungsfreien Raum fürs Ferngespräch zu nutzen.
Angewiesen aufs Festnetztelefon
Denn zigtausend Menschen bleiben auf das Festnetztelefon angewiesen. Ein kirchlicher Klassiker für sie, wenngleich nicht interaktiv, bleibt die Telebibe l. Das ökumenische Angebot von Landes- und Freikirchen bietet vorproduzierte Bibel-Andachten zum Hören an.
Im März zählte Telebibel-Leiter Pascal Steck fast 2000 Anrufe mehr auf seinen Nummern: 7252 Mal wurde die Telebibel letzten Monat gehört, und die aktuelle Tendenz ist steigend.
Auch die Telebibel nutzt neueste Telematik: Sie spielt Streamings und Audios aus dem Internet in die analoge Hörmuschel von Festnetzapparaten. So können auch Offliner an Online-Angeboten teilhaben.
Der einzige Draht zu Seniorinnen
Solche Angebote nutzen Einzelpersonen ebenso wie Kirchgemeinden, Spitäler und Pflegeheime. Dort sind Betten traditionell mit Telefon ausgestattet.
Das Telefon ist Betagten lieb und gewohnt, anders als die neuen Onlineformate. Sie kommen für viele Hochaltrige einfach zu spät. Umso mehr freuen sie sich, wenn das Telefon klingelt.
Ähnliches bietet der Schweizer Blindenverband an: Voice-Net heisst sein Telefondienst. Diesen Vorlese- und Informationsdienst nutzen auch jüngere Menschen. Anfang März sei auch hier die Zahl der Anrufe sprunghaft um 340 gestiegen.
Renaissance von Telefondiensten
Nicht kommerzielle Hotlines erleben gerade eine Renaissance, ebenso proaktive Telefondienste von Hilfswerken, Nachbarschaftsnetzen und religiösen Gemeinschaften.
Sie alle wollen dasselbe: die Gemeinschaft erhalten und Vereinzelte aus der Isolation holen.