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Gesellschaft & Religion Wer ist der Mann, der Schneider-Ammann im US-Fernsehen foppte?

Nun kennen auch die USA Johann Schneider-Ammann: In seiner Satire-Show machte sich John Oliver über die Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Kranken lustig. Jede Woche knöpft sich Oliver politische und soziale Themen vor. Damit bewegt er in den USA oft mehr als nur das Zwerchfell der Zuschauer.

Sonntag für Sonntag liest ein Brite den US-Amerikanern die Leviten. Rund vier Millionen Zuschauer lachen sich darüber kaputt. Bei dieser Gelegenheit schaffen sie es auch, sich mindestens 20 Minuten lang für ein einziges Thema zu interessieren.

Für Steuerbezirke zum Beispiel. Oder Wahlbetrug. Oder für Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Pennys. 30 Minuten dauert John Olivers TV-Sendung insgesamt. Was der 38-Jährige in «Last Week Tonight» leistet, ist Aufklärung in der Unterhaltungsära.

Satire, die ihresgleichen sucht

Late Night Shows und Fake News Shows gibt es zuhauf in den USA. Manche davon sind richtig schlecht, manche richtig gut, aber keine hat das Format, das John Oliver für sich erfunden hat: «Last Week Tonight» ist eine Plattform für investigativen Humor.

John Oliver war Stand-up-Komiker, bevor er vor zehn Jahren zum ersten Mal überhaupt in die USA kam, um für den legendären Jon Stewart und die «Daily Show» zu arbeiten.

Der andere Ansatz

Seit 2014 hat er auf dem Bezahlsender HBO seine eigene Sendung. Ein Luxus, weil er dort nicht von Werbedollars abhängig ist. Oliver nimmt sich grundsätzlich andere Sujets vor als seine Kollegen. Ihnen überlässt er die Tagesaktualitäten.

Wenn er zum Beispiel Donald Trump traktiert, startet er gleich eine substantielle Kampagne: «Make Donald Drumpf Again». Drumpf hiessen Donald Trumps Vorfahren. Sie änderten den Familiennamen von Drumpf auf Trump. Wer den sogenannten «drumpfinator» von der Website der Show herunterlädt, wird auf seinen Bildschirmen nur noch «Drumpf» lesen, wo eigentlich «Trump» steht.

Gute Recherche mit Sahnehäubchen

Meistens beginnt Olivers Show mit einigen bissigen Bemerkungen zum gewählten Thema und geht dann zur satirischen Rundumanalyse über. Er pflegt sein Thema komplett zu zerpflücken.

Am Ende setzt er alles wieder zusammen, aber so, dass es viel konkreter wirkt als am Anfang. Dafür recherchieren Oliver und seine Mitarbeiter wochenlang. Das Schreiben der Witze kommt als Sahnehäubchen zum Schluss.

Ob Fernsehevangelisten, Kanada oder Abtreibung – kein Gegenstand ist Oliver zu heilig, zu entlegen oder zu heikel, um daraus komisches Potential zu schöpfen. Als Ausländer darf er das. Komischerweise. Sein Publikum erwartet von ihm den messerscharfen Blick des Zaunguckers.

Possen reissen, was bewegen

Nicht nur das. John Oliver bringt seine Zuschauer sogar zum Handeln. Nach einer Folge über Netzneutralität etwa brach die Website der dafür zuständigen Regierungskommission unter dem Ansturm der Besucher zusammen.

Er sei ein Possenreisser, kein Aktivist, versichert John Oliver. Das mag schon sein. Aber im Augenblick ist er der einzige, der es im US-Fernsehen schafft, Zwerchfelle und Hirne gleichermassen zu aktivieren.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 15.03.2016, 16.45 Uhr.

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